Zu den Kontinuitätslinien beim Kampf um die Kultur-Kolchose

Die Aussicht auf den Prozess gegen Geert Wilders hatte in den vergangen Tagen zu einer ganzen Reihe von Feuilleton-Artikeln geführt, in denen heiß um die Stammtischhoheit in den deutschen Tageszeitungen zum Phänomen der Islamkritik gerungen wurde.

Nach Thierry Chervels Beitrag im Perlentaucher scheint sich die Frontline zwischen dem „Fundamentalismus der Aufklärung“ und dem „Rassismus der Antirassisten“ nun doch ein wenig zugunsten der Islamkritik verschoben zu haben. Die Zeit hat Chervel daraufhin nicht nur schwer gescholten, sondern geradezu panisch angegangen.

Die Angst ist begreiflich: Wenn es bei Henryk M. Broder, Ayaan Hirsi Ali und Necla Kelek nicht mehr gelingt, sie mit der bewährten Mischung von Argumentation und Polemik ins politische Abseits zu befördern, dann ist abzusehen, daß auch die feulletonistische Ausbürgerung von Kritikern wie dem Orientalisten Hans-Peter Raddatz mit deplatzierten Schlagwörtern wie „Massendeportationen“ und „religiöser Reinigungswahn“ nicht mehr lange funktioniert.

Von „Ausbürgerung“ zu sprechen bringt dieses Ansinnen auf den Punkt, weil die Islamkritiker damit über die magische Grenze „all dessen, was unsere Gesellschaft ausmacht“ befördert werden sollen. Bannen und als Verräter virtuell außer Landes schaffen will man sie, auf daß sie nach der Vertreibung aus der heimatlichen Kultur-Kolchose und der Einweisung ins EUdSSR-Gulag der Hungertod ereilen möge!

Doch die Politkommissare beginnen zu zweifeln: Auch wenn vorderhand alle so tun, als könne es im Zeitalter von Globalisierung, Klimakatastrophe und Massenmigration gar kein Vaterland mehr geben, so weiß doch jeder, daß die Debatten nach wie vor im nationalen Kontext stattfinden und auch deren Logik orientiert sich noch an selben Maßstäben.

Der Verrat ist in unserem Leben zum Alltagsbegriff geworden, so umfassend, als habe er sein eigenes geheimes und so undurchsichtig-mächtiges Reich auf einer Ebene errichtet, die sich nicht mit Völkern, Nationen, Verfassungen, Glaubensgemeinschaften deckt, aber doch alle zerstörend oder verwandelnd durchdringt. Der Inhalt des Verrats wechselt, indem sich das Rad der Geschichte dreht. Heute werden als Helden oder Märtyrer die gefeiert, die gestern als Verräter gehenkt wurden, und umgekehrt. (Margret Antonie Boveri 1956 in der Zeit )

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2 Kommentare - “Zu den Kontinuitätslinien beim Kampf um die Kultur-Kolchose”

  1. Katharina Says:

    http://www.eussner.net/artikel_2010-01-21_14-29-31.html

    Hans-Peter Raddatz: Demokratiefeinde im Islamgewand

  2. EinFragender Says:

    Ich denke das nennt man Lernkurve. Es gibt halt Menschen die kapiert haben das der Islam Probleme hat und ein Problem darstellt und Menschen die das noch nicht kapiert haben. Eben weil man sich sonst selber widersprechen würde oder weil man einfach nicht mehr dazulernen kann. Denn viele – nicht alle – die früher zu den große Revoluzern gehört haben, sind Heute steinalt und haben panische Angst sich selber und die eigene Meinung kritisch zu betrachten, sie sind nicht mehr fähig sich neuen Probleme zu stellen.


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