Wofür und wogegen in Syrien gekämpft wird

Etwas Dämonisches wohnt der politischen, diplomatischen und demnächst möglicherweise auch massiven militärischen Unterstützung bewaffneter Aufständischer und Terroristen in Syrien durch die NATO-Staaten inne; ebenso dem heutigen Sieg der Moslembrüder in Ägypten. „Demokratie“, Volksherrschaft, steht auf dem Banner für das wir streiten und uns begeistern sollen.

Einige weigern sich beharrlich sich dafür zu begeistern. — Warum?

Als Versuch einer Erklärung hier ein kurzer Auszug aus der Essay-Sammlung „Das neue Mittelalter“ (Darmstadt 1927) des Philosophen Nikolai Berdjajew:

Ihrem Charakter nach ist die Demokratie formal, sie kennt ihren Inhalt nicht, ja, sie hat innerhalb der Grenzen des von ihr behaupteten Prinzips überhaupt keinen Inhalt. Die Demokratie will nicht wissen, in wessen Namen der Volkswille sich äußert und will den Volkswillen nicht einem höheren Ziel unterordnen. In dem Augenblick, da die Demokratie sich des Zieles, das der Volkswille erstrebt, bewußt wird, da sie für das eigene Wollen einen würdigen Gegenstand und einen positiven Gehalt findet, wird sie dieses Ziel, diesen Gegenstand und den Gehalt über das formale Prinzip der Willensäußerung selbst stellen und der Gesellschaftsordnung zugrunde legen müssen. Aber die Demokratie kennt nur ein formales Prinzip der Willensäußerung, das sie über alles schätzt und keinem anderen unterordnen will. Die Demokratie kümmert sich nicht um die Richtung und den Gegenstand des Volkswillens, und sie besitzt keine Kriterien zur Unterscheidung der Echtheit und Unechtheit der Bewegung, durch die sich der Volkswille äußert, zur Bestimmung der Qualität dieses Willens. Die Volksherrschaft ist gegenstandslos, auf kein Objekt gerichtet. Die Demokratie bleibt gleichgültig gegen Gut und Böse. Sie ist tolerant, weil sie indifferent ist, weil sie den Glauben an die Wahrheit verloren hat und nicht imstande ist, sich für die Wahrheit zu entscheiden. Die Demokratie ist skeptisch, sie entsteht in einer Zeit des Skeptizismus, des Unglaubens, wenn die Völker die festen Wahrheitskriterien eingebüßt haben und unfähig sind, sich zu irgendeiner absoluten Wahrheit zu bekennen. Demokratie ist extremster Relativismus, die Verneinung alles Absoluten. Die Demokratie kennt die Wahrheit nicht, deshalb läßt sie der Stimmenmehrheit zu entscheiden, was Wahrheit ist. Die Anerkennung der Macht der Quantität, die Anbetung des allgemeinen Stimmrechts ist nur möglich, wenn an die Wahrheit nicht geglaubt wird, wenn um die Wahrheit nicht gewußt wird. Wer an die Wahrheit glaubt und sie kennt, der überantwortet sie nicht auf Gnade und Ungnade der quantitativen Übermacht. Die Demokratie hat weltlichen Charakter, sie ist jeder sakralen Gemeinschaft entgegengesetzt, denn sie ist formal inhaltslos und skeptisch. Die Wahrheit ist sakral, und eine Gemeinschaft, die auf der Wahrheit gegründet ist, kann nicht ausschließlich weltlich sein. Die weltliche Demokratie bedeutet ein Abfallen von den ontologischen Grundlagen der Gesellschaft, ein Abfallen von der Wahrheit. Sie will die menschliche Gesellschaft politisch so aufbauen, als ob es keine Wahrheit gäbe. Dies ist die Grundvoraussetzung der reinen Demokratie, darin beruht der entscheidende Irrtum der demokratischen Idee. Sie wurzelt in der humanistischen Selbstbehauptung des Menschen. Der Wille des Menschen soll für die menschliche Gesellschaft entscheidend sein, und alles ist zu beseitigen, was sich der Äußerung dieses Menschenwillens, was sich seiner endgültigen Herrschaft in den Weg stellt. Damit werden die geistigen Grundlagen der Gesellschaft, die tiefer liegen als die formale Willensäußerung, verneint und die ganze hierarchische Ordnung umgeworfen. Die Demokratie ist ein Psychologismus, der allem Ontologismus zutiefst widerspricht.

Diese aus dem Kapitel „Demokratie, Sozialismus und Theokratie“ (S. 106-107) entnommene Reflexion der Demokratie in ihrer „extremsten Erscheinungsform“ (S. 105) zeigt auf, daß Demokratie keinen Inhalt hat. Demokratie ist wie eine leere Form, in die sich beliebige Inhalte gießen lassen.

Man ist kein Demokratiefeind, nur weil man diese kritische Tatsache in seinem Denken berücksichtigt und auf sie verweist. Schon die Gründer der Bundesrepublik Deutschland waren sich der Inhaltslosigkeit und Beliebigkeit der Demokratie als einer drohenden Gefahr bewußt. Daher die Bezugnahme auf die zu schützende, unantastbare Menschenwürde und die unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte in Grundgesetz Artikel 1 als Konsequenz aus der nationalsozialistischen Willkür.

Keiner der beiden Seiten in Syrien geht es um Demokratie. Niemand kämpft und stirbt für eine leere Form. Man kämpft für einen als Wahrheit begriffenen Inhalt.

Wofür und wogegen ins Syrien gekämpft wird veranschaulichen diese beiden Videos. Sie zeigen die dämonischen Inhalte saudi-arabischer Fernsehsendungen, für die sich die Söldner in Syrien begeistern:

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8 Kommentare - “Wofür und wogegen in Syrien gekämpft wird”

  1. Silvio Fienarola Says:

    So einen inhaltslosen Blödsinn wie die Ausführungen von Nikolai Berdjajew habe ich noch nie gesehen oder gehöhrt. Das ist in etwa so wie wenn ein Blinder über Farben doziert. Von A-Z ein gutklingendes Geschwafel von Worthülsen.

    Die echte „Direkte Demokratie“ gibt es eigendlich nur in der Schweiz. Das tönt vielleicht etwas grosskotzig, ist aber so.

    Wer daran zweifelt, kann sich vielleicht einmal Gedanken darüber machen, wie es möglich ist, dass eine relativ so kleine Nation im Zentrum von Europa, als Volk seit über 2000 Jahren siedelt und sich seit über 700 Jahren defacto als souveräner demokratischer Staat behauptet.
    Einen relativ guten Einblick über die komplexe Struktur unserer Demokratie gibts bei Wikipedia

    http://de.wikipedia.org/wiki/Direkte_Demokratie_in_der_Schweiz

    Demokratie ist auch nicht formal, ganz im Gegenteil, wir leben unsere Überzeugung:

    Präambel der Schweizerischen Bundesverfassung:

    Im Namen Gottes des Allmächtigen!

    Das Schweizervolk und die Kantone,

    in der Verantwortung gegenüber der Schöpfung,

    im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken,

    im Willen, in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Einheit zu leben,

    im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen,

    gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen,

    geben sich folgende Verfassung

    • antifo Says:

      1. Es sollte lediglich ein „Versuch einer Erklärung“ sein.

      2. Ich will niemandem den Text von Berdjajew verkaufen. Das ist eben mein Weg um darzulegen, daß die Behauptung, es gehe in Syrien um „Demokratie“ so nicht stimmt.

      • Silvio Fienarola Says:

        @antifo
        Deine Intentionen weiss ich zu würdigen und ich hege keinen Zweifel an Deiner kritischen wie auch konstruktiven Grundeinstellung, aber mit diesem „Versuch einer Erkärung“ bist Du leider auf einem Irrweg gelandet.

        Wenn Du die Welt erklären willst, solltest Du Belege heranziehen, die sich an der Realität orientieren, Feststellungen die Du selbst gemacht hast und/oder Berichte von vertrauenswürdigen Quellen verwenden, die sich ebenfalls grösstmöglich an der Realität orientieren und auf authentische Quellen, Dokumente, verweisen.

        Darum ist die Tätigkeit der Historiker auch heute noch von zentraler Bedeutung.
        Nicht weil sie der „Geschichtsfälschung“ dient, sondern der „Wahrheitsfindung“.
        Die Auseinandersetzungen unter den Historikern können sich bei einzelnen Themen über sehr lange Zeit erstrecken, aber sie werden zumeist aus redlichen Motiven durch die Kontrahenten geführt.

        Anders sieht es bei den Philosophen aus, hier ist die Freiheit der Gedanken grenzenlos und die Basis ihrer Tätigkeit.
        Das ist auch gut so, denn dadurch können auch neue Lösungsansätze und Wege gefunden werden.

        Nikolai Berdjajew hat mit dieser These jedoch die Grenze zwischen Fantasy und Wirklichkeit total verwischt, und es besteht für den Leser die Gefahr, dass er die Aussagen im Text für bare Münze nimmt.

        Ich habe mich mit Nikolai Berdjajew nicht weiter beschäftigt und werde es auch nicht tun, da seine Aussagen so weit weg sind von irgendeiner Realität und nicht Fragen aufwerfen sondern Unwahrheiten als Tatsachen darstellen.

      • antifo Says:

        Ich stimme Dir bei Deiner Textkritik zwar nicht zu, will mich inhaltlicher Widerworte aber enthalten.

    • AL Says:

      Die heutige Staatsform der Schweiz mit der direkten Demokratie besteht m.W. „erst“ seit 1848.

      Bis ins späte 18. Jahrhundert galten folgende Herrschaftsformen:

      In den Städteorten Bern, Solothurn, Freiburg und Luzern das Patriziat, das Regiment weniger alteingesessener Geschlechter;

      Die Zunftaristokratie in Zürich, Basel und Schaffhausen; sie begrenzte die Oligarchie der alteingesessenen Geschlechter durch den Einfluss der Zünfte;

      In den Landsgemeindeorten schließlich entwickelte sich ebenfalls eine gemeinsame Aristokratie des alten Landadels und der durch den Solddienst zu Reichtum und Adelsprädikaten gekommenen Familien.

      Davor war die Schweiz ein Bündnis unabhängiger Kantone, von denen jeder frei war, das Bündnis zu verlassen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Schweiz zwar durch Napoleon zum zentralistischen Einheitsstaat umgeformt, der dann aber wieder in unabhängige Kantone zerfiel. Diese behielten jedoch die von Napoleon mitgebrachten republikanischen Elemente bei.


      Vor 1848 herrschten in den verschiedenen Kantonen teilweise ganz unterschiedliche Bedingungen und Rechte, zwischen den Kantonen existierten gar Trennungen ähnlich der heutigen Landesgrenzen. In dieser nur locker zusammengeschlossenen Gruppe von Kantonen, genannt Staatenbund waren einzelne Volksgruppen gegenüber anderen stark im Nachteil. Der Bundesstaat, der vor 150 Jahren entstand wird oft als“ Willensnation“ bezeichnet: Volksgruppen bildeten eine staatliche Einheit, ohne jedoch kulturell, ethnisch oder sprachlich einheitlich zu sein.

      Vielleicht wäre die Schweiz ein gutes Vorbild für die EU gewesen.

      • Silvio Fienarola Says:

        „Vielleicht wäre die Schweiz ein gutes Vorbild für die EU gewesen“?

        Ja sicher, aber nur wenn die Staaten der EU auch jeweils für sich selbst sowie in der Gesammtheit als Bund (Conföderation) nach echten demokratischen Prinzipien organisiert währen!

        Dann stellt sich natürlich die Frage, was ist den Demokratie?
        …und jetzt wirds lustig, da selbst totalitäre Systeme für sich in Anspruch nehmen, demokratisch organisiert zu sein 😉

        Ist ein Land mit einer parlamentarischen Demokratie wie zum Beispiel die BRD demokratisch? wenn die Wähler grundsätzlich einfach alle 4 Jahre ihre Stimmen für die verschiedenen Parteien abgeben können und sich die gewählte Regierung nachher nicht mehr an das vorgestellte Parteiprogramm hält?

        In der Schweiz hatt immer das Volk das letzte Wort. Wir können über Alles abstimmen und auf jeder Ebene!

        > Initiative und Reverendum

        Die Parlamente werden entsprechend unserem Milizsystem von Politikern representiert, die gleichzeitig einer beruflichen Tätigkeit nachgehen, das hatt Vor- und Nachteile, aber Sie haben dadurch mehr „Bodenhaftung“.
        Wenn über neue Gesetze oder Grossprojekte beraten wird, werden auch alle wesendlichen Bezugsgruppen wie Verbände, betroffene Regionen, Bevölkerung, Wirtschaft usw. in den Prozess mit einbezogen.

        > Vernehmlassung, Einsprache und Beschwerderecht für betroffene natürliche sowie juristische Personen / Verbände.

        Die ausserparlamentarischen Institutionen wie Vereine, Genossenschaften usw. sind ein wesendliches Element unserer direkten Demokratie, da sie den demokratischen Prozess ausserhalb der Parlamente unterstützen und mitorganisieren.

        > Die Vereine sind in der Schweiz durch entsprechende gesetzliche Bestimmungen in allen Belangen geschäftsfähig.

        >>>>> Die heutige Staatsform der Schweiz mit der direkten Demokratie besteht m.W. “erst” seit 1848 <<<< Defacto existiert der Staat seit 1291, siehe Bundesbrief:

        http://de.wikipedia.org/wiki/Bundesbrief_von_1291

        > Dejure wurde die Schweizerische Eidgenossenschaft erst am Westfälischen Frieden durch die europäischen Mächte anerkannt.

        > 1848 mutierte der Staatenbund zum Bundesstaat.

        http://de.wikipedia.org/wiki/Bundesverfassung_der_Schweizerischen_Eidgenossenschaft

        Ich bin kein Historiker, aber soweit ich das beurteilen kann, würde ich Jedem der sich mit der Schweiz und dem politischen Sytem auseinandersetzen will, empfehlen das gesammte Thema

        in folgende Bereiche zu trennen, und das Ganze dann wieder als Gesammtbild wieder zusammenzufügen.

        1.) > Das Volk der Helvetier

        http://de.wikipedia.org/wiki/Helvetier

        2.) > Die Geschichte der Schweiz (als Gebiet) vor 1291
        3.) > und danach als Bund von Eidgenossen und bis zum modernen Bundesstat 1848 sowie die weitere Entwicklung des Politischen Systems.

        Beides Hier:
        http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Schweiz

        4.) > das System der „Direkten Demokratie in der Schweiz“

        http://de.wikipedia.org/wiki/Direkte_Demokratie_in_der_Schweiz

        Das politische und Gesellschaftliche Model der Schweiz lässt sich nicht einfach übertragen. So wie der Dialekt einer Sprache mit der Muttermilch aufgenommen wird so verhält es sich auch mit dem Bezug zur „Direkten Demokratie“

        Wer sich darauf einlassen will, muss auch für den notwendigen Lernprozess bereit sein und sein Denken und Handeln anpassen.

        Viele Fragen sind noch offen, wie zB. welche Einflüsse die Grichische Kultur auf die Helvetier hatte?

        Ich wünsche allen interressierten eine spannende Reise in die Geschichte!

      • antifo Says:

        @Silvio Fienarola

        Das politische und Gesellschaftliche Model der Schweiz lässt sich nicht einfach übertragen. So wie der Dialekt einer Sprache mit der Muttermilch aufgenommen wird so verhält es sich auch mit dem Bezug zur “Direkten Demokratie”.

        Das scheint mir der wesentliche Punkt zu sein. Schon in Deutschland hat man ganz andere Vorstellungen, wenn von „Direkter Demokratie“ die Rede ist. Man denkt da eher in Richtung eines institutionalisierten Volksaufstandes. Freilich ist auch das im Schweizer Modell zu finden, aber es erschöpft sich nicht darin. Das Gemeinwohl steht immer im Vordergrund. So nehme ich die Schweizer Demokratie als Außenstehender jedenfalls wahr.


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