Gastbeitrag: Iranische Hoffnungen

Der Iran hat einen neuen Präsidenten gewählt. Es ist der alte. Präsident Mahmud Ahmadinedschad behauptet, zwei Drittel der abgegebenen Stimmen gewonnen zu haben. Sein schärfster Herausforderer Mir Hossein Mussawi gibt seinerseits bekannt, er habe die Wahlen gewonnen, jedoch seien Stimmen gefälscht worden. Die für eine Republik typische Situation, daß zwei Kandidaten den Sieg für sich reklamieren, hat sich hier erneut eingestellt. Am Ende werden wohl die „stärkeren Bataillone“ entscheiden, wer in den Präsidentenpalast einzieht.

Von westlichen Medien wie von oppositionellen Iranern ist Mussawi als Hoffnungsträger für eine Liberalisierung dargestellt worden. Dabei ist er alles andere als ein Neuling in der iranischen Politik. Von 1981 bis 1989 amtierte er als Ministerpräsident des Landes, bevor diese Funktion per Verfassungsänderung abgeschafft wurde. Kann jedoch überhaupt von Wahlen gesprochen werden? Wer im Iran zur Wahl antreten darf, bestimmt ein zwölfköpfiger „Wächterrat“, der sich aus schiitischen Klerikern und Theologen zusammensetzt. Sie prüfen die Kandidaten und
sortieren die aus, die als „liberal“ oder kritisch gegenüber dem herrschenden System gelten. Automatisch nicht zur Wahl zugelassen sind alle, die in der Zeit der Monarchie ein Amt ausübten. Nach diesen Kriterien fielen fast alle Möchtegern-Präsidenten durch. Der Wächterrat ließ 2009 von 470 Kandidaten lediglich vier zur Wahl am vergangenen Freitag zu. Wie liberal und systemkritisch kann unter diesen Umständen Mir Hossein Mussawis sein? Warum überschlagen sich die westlichen Medien mit ihren Berichten über einen Präsidentschaftswahlkampf, der kaum demokratischen Grundsätzen genügt?

Im Wächterrat ist – angeblich – umstritten, ob Frauen für das Präsidentenamt kandidieren dürfen. Da Frauen im heutigen Iran – anders als zu Zeiten Schah Mohammed Reza Pahlewis – als Bürger zweiter Klasse gelten, ist es unwahrscheinlich, daß die Mullahs eine Präsidentschaftskandidatin akzeptieren würden. Nicht auszudenken, wenn die Männer sich den Befehlen einer Präsidentin unterwerfen müßten.

Ganz anders das Gegenkonzept des iranischen de jure Schahs, Reza II., der nach dem Tod seiner Vaters im Exil den Amtseid ablegte und damit in die Thronfolge eintrat. Er propagiert eine konstitutionelle Monarchie und möchte als „iranischer Juan Carlos“ dem Land die Freiheit(en) geben, die es seit der Machtergreifung der Mullahs vermißt. Der exilierte Thronerbe hat aus seiner Ehe mit Jasmine Pahlewi zwei Töchter. Als Symbol für die Öffnung eines monarchischen Irans propagiert er deshalb seine älteste Tochter, Prinzessin Nur, als seine Nachfolgerin. Eine regierende Kaiserin habe es in der iranischen Geschichte bereits gegeben und eine erneuerte konstitutionelle Monarchie, die sich aus dem Würgegriff des Klerus befreie, sei dann reif für eine Frau als Staatsoberhaupt.

Es wird wohl noch dauern, bis die Iranerinnen und Iraner eine wirklich freie Wahl haben werden.

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4 Kommentare - “Gastbeitrag: Iranische Hoffnungen”

  1. Mcp Says:

    „Es wird wohl noch dauern, bis die Iranerinnen und Iraner eine wirklich freie Wahl haben werden.“

    Von der, die Augen schmerzenden, politisch korrekten Geschlechterschreibung dieses Satzes einmal abgesehen: Wo gibt es denn „freie Wahlen“?

  2. EinFragender Says:

    Mag sein das die freien Wahlen in Europa nicht 100 % frei sind, sondern man bestenfalls von 98 % Freiheit sprechen kann.
    Sie sind jedoch um Lichtjahre freier und demokratischer als alles was je im Iran stattfand.

    • Mcp Says:

      In Deutschland habe ich nur die Wahl zwischen Pest und Cholera, wobei es vollkommen belanglos ist, für welche Seuche ich mich entscheide.

      Oder wurden Sie bei auch nur einer einzigen wichtigen Entscheidung der Vergangenheit gefragt? Währungsunion, Euro-Einführung, EU-Erweiterung oder EU-Vertrag, um hier nur einige herausragende Stichworte zu nennen. Und dort wo gefragt wurde, hat man es einfach ignoriert.

      Das ist exakt der gleiche Einheitsbrei, der schon in der DDR ausgelöffelt werden musste: Auch dort gab es verschiedene Parteien mit derselben Meinung. Wahlfreiheit herrscht nur, wenn man verschiedene Möglichkeiten hat. Die kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Zudem verletzt der Staat das Neutralitätsgebot im erheblichen Maße.

      • EinFragender Says:

        Es gibt keine direkte Demokratie, aber sehr wohl viele Möglichkeiten sich zu wehren und mitzugestalten. Ist nicht perfekt was es in der BRD gibt, aber besser als alles andere was es vorher gab und um lichtjahre besser als das was es im Iran oder sonst wo gibt. Wobei man generell fragen könnte wie es perfektes System aussehen könnte. Ich persönlich weiß darauf keine Antwort.

        Man darf nicht den Fehler machen und die Probleme die es bei uns sicher gibt zu überdimensioionieren. Damit lösen wir keines der Probleme, sondern werden unglaubwürdig wenn man vergleicht welche Probleme es anderswo gibt um festzustellen das die doch viel größer sind.


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