Wenn feindliche Lager zusammenwachsen

Bei Wadinet wundert Thomas von der Osten-Sacken sich darüber, daß die USA sich im Rahmen ihrer Nahostpolitik für die Rückgabe der Golanhöhen an Syrien einsetzen, während Al Qaida als erklärter Feind der USA in Syrien munter rein- und rausspazieren kann.

Ich wundere mich nicht mehr darüber.

Diese Widersprüchlichkeit hat System. Es gibt sogar Literatur darüber, in der darüber theoretisiert wird. Hier ein Auszug aus der Wikipedia zu Empire – die neue Weltordnung von Michael Hardt und Antonio Negri:

Empire versucht, die aktuellen Weltordnung zu beschreiben. Die Macht habe kein eindeutiges Zentrum mehr, sie ist vielmehr überall, sie durchzieht unser Leben als „Biomacht“, die Nationalstaaten verlieren an Bedeutung, Kriege werden zu Polizeiaktionen, es wird immateriell und vernetzt produziert (siehe „immaterielle Arbeit“). Die Institutionen der Disziplinargesellschaft nach Michel Foucault, wie etwa Schule, Gefängnis oder Klinik, verlieren ihre Begrenzung und werden über die ganze Gesellschaft ausgedehnt. Daraus bildet sich die allgegenwärtige Kontrollgesellschaft. Diese kennzeichnet Sprachverhältnisse, militärische Einheiten, Muster der Migration, soziale Bewegungen, Firmen, physiologische Strukturen und sogar persönliche Beziehungen.

Das Empire kenne kein Außen mehr, es umfasse die ganze Welt und das ganze Leben. Das Empire könne mit verschiedenen Subjektformen, flachen Hierarchien und dem vielfältigen Austausch in Computernetzwerk flexibel umgehen. Dennoch sei seine Macht nur scheinbar. Das Empire könne immer nur reagieren auf die Aktionen der Multitude (Menge, Vielheit). Sie sei es, die kreativ und produktiv ist und dadurch das Empire erst erschaffe. Das Empire sei nichts ohne die Multitude.

Diesen Antonio Negri fand ich kürzlich in einer Email von Thomas Seibert erwähnt, der der Interventionistischen Linken angehört.

Ich lese das insgesamt als deutlichen Hinweis, daß all dieses Revoluzzer-Gehabe integraler Bestandteil eines größeren Systems ist, das alle Widersprüche dieser Welt mit Bürgerkriegen auf mehr oder minder kleiner Flamme ausbalanciert. Es kann daher auch den Unterschied zwischen Kapitalismus und Antikapitalismus einebnen. Daß das geht, liegt daran, daß beide an Mammon glauben. Wer also glaubt, daß zwischen den Gegnern und Teilnehmern eines G8-Gipfels ein Unterschied besteht, der unterliegt einem Trugschluß. Diese Proteste und Polizeiaktionen sind freilich echt, aber in der Summe sind sie nicht mehr, als ein gut inszeniertes Trugbild.

Auf die selbe Weise erkläre ich mir die Schaukämpfe zwischen politischem Islam und denen, die “für die Menschenrechte” kämpfen. Auch wenn noch so viele Menschen dabei sterben, kämpfen beide Seiten irgendwie doch für die gleiche Sache. Dem Fußvolk ist das zwar so nicht bewußt, aber wenn es keine klar unterschiedbaren Linien zwischen den Lagern mehr gibt, dann ist es auch töricht von verschiedenen Lagern zu reden.

Nachdem die Welt mehr und mehr zu einem einzigen Lager wird, in dem der Antichist unumschränkt herrscht, bleibt als Opposition nurmehr übrig, sich in den Katakomben gegen alle Lager zu stellen.

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3 Kommentare - “Wenn feindliche Lager zusammenwachsen”

  1. Mcp Says:

    Das zu unterstellen hieße zu glauben, dahinter stecke ein großer Plan. Das ist nicht sehr wahrscheinlich. Vielmehr glaube ich das gewisse Grundüberzeugungen, die fast alle Menschen teilen, der Entwicklung diese Richtung verleihen. Es gibt Streit um konkrete Wege und Ziele, aber in der Grundrichtung stimmen alle bedeutenden politischen oder religiösen Gruppierungen überein. Ich glaube, dass dabei mit handfesten Verschwörungen gearbeitet wird, aber ich glaube nicht daran, dass alle Verschwörer an einem Strang ziehen.

    • antifo Says:

      Sehe ich genauso. Es ist vor allem eine Tendenz, die sich aus gewissen Grundüberzeugungen speist. Von einem echten Plan kann man nur dann sprechen, wenn man sich auf eine religiöse Ebene begibt und es entsprechend deutet.

  2. Peter Says:

    Die weltweite Vernetzung von Systemen und Systemstrukturen (nicht nur politische sondern auch ökonomische und religiòse Gruppierungen) scheint analog zum „Begriff“ der Globalisierung mit zunehmender Eigendynamik und Rasanz eine Entwicklung zu nehmen, die sich mehr denn je dem Einfluß und der Steuerbarkeit durch (offizielle) Politik entzieht.

    Das „Empire“ gibt es trotzdem.

    Ist natürlich, gemessen an früheren „Reichen“, eine Worthülse, weil es alles und gar nichts zu beschreiben scheint. Herausfinden, was oder wer da eigentlich „am Ruder“ ist, ist ein äusserst schwieriges Unterfangen. Die „Macht“ liegt eh nicht in den Händen Einzelner, schon gar nicht in denen der Präsidenten und Regierungschefs sondern, wie es scheint, in einer wüsten Eigendynamik, hervorgerufen durch die Kräftespiele der unterschiedlichsten Interessen der verschiedensten „Gruppierungen“.

    Anders kann ich mir den Salat nicht erklären …


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