Das Wiedererwachen des heidnischen Roms

Es gab viele Gründe für das Schisma der westlichen Kirche, aber die wichtigsten waren vier Neuerfindungen, eine theologische, zwei liturgische und eine politisch-kirchenrechtliche, welche die Kirche von Rom in das Leben der Kirche einführte und die von den östlichen Patriarchen abgelehnt wurden. Das erste davon war, wie wir bei der Diskussion von St. Photios I. dem Großen gesehen haben, die Einfügung des Wortes Filioque, das für „und dem Sohn“ steht, in das Nicänische Glaubensbekenntnis, so daß sich die Aussage über den Heiligen Geist folgendermaßen liest:

Wir glauben an den Heiligen Geist,
der Herr ist und lebendig macht,
der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht

Die Orthodoxen lehnten diese Erfindung ab, weil sie (a) den Worten von Christus Selbst über die Sendung des Geistes vom Vater allein (Joh. 15,26) widersprach, (b) dies eine Änderung war, die vom dritten Ökumenischen Konzil verboten worden war und (c) weil es objektiv falsch war, zumal das Einbringen eines weiteren Prinzips die Heilige Dreieinigkeit die Monarchie des Vaters zerstörte.

Auch wenn diese theologische Erfindung der wichtigste Unterschied zwischen Ost und West blieb, stand sie nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit zum Zeitpunkt des Schismas Mitte des elften Jahrhunderts. Diese Position wurde von den Erfindungen im Gottesdienst eingenommen: die Ersetzung von gesäuertem Brot (artos) durch ungesäuertes Brot (aymes), und die Entfernung der Epiclesis (während des Papsttums Leos IX.) beim Bittgebet an den Heiligen Geist während der Einsegnung. Obwohl diese Erfindungen auf den ersten Blick kaum von fundamentaler Wichtigkeit erscheinen, war ihre sybolische Wichtigkit sehr groß und bedeuteten den Verlust der Gnade in der westlichen Kirche. Da das gesäuerte Brot die Seele Christi repräsentierte, bedeutet dessen Ersetzung des lebenden Christus durch einen seelenlosen Körper. Und durch die Abschaffung der Anrufung des Heiligen Geists Der, gemäß der Orthodoxie die Wandlung des Brotes und des Weines in den Leib und das Blut Christi bewirkt, entwerteten die Päpste damit ihr eigenes Sakrament. Es war, als würden sie selbst bezeugen: „Der Heilige Geist kommt nicht mehr herab auf unsere Gaben, weil wir uns erdreisteten, in Seiem Namen zu sprechen und der Christus, der auf unseren Altaren steht, ist nicht mehr der lebende Christus, weil wir uns erdreistet haben, seine Herrschaft an uns zu reißen.“

Das bringt uns zur vierten, der politisch-kirchlichen Erfindung, die die fundamentalste ist. Wie wir gesehen haben, wurde 879-880 im Konzil von Konstantinopel die Theorie, daß dem Papst die Rechtsprechung über alle Kirchen zukäme, von den Delegierten (einschließlich derjenigen von Papst Johannes VIII.) zurückgewiesen. Doch in den fast zweihundert Jahren, die auf dieses Konzil folgten, konnte man nicht nur kein Abkühlen dieser Ambitionen des Papstes bemerken, sondern stattdessen ein Anwachsen dieser Ambitionen auf das Maß eines Größenwahns, bis zu dem Punkt, daß sie die Theorie in den Raum stellten, der Papst sei zur Kirche und zur Christenheit was der Kopf zum Körper sei – der unanfechtbare und unfehlbare Souverän.

Es gibt eine innere Verbindung zwischen der Theorie päpstlicher Unfehlbarkeit, der Einfügung des Filioque und der Abschaffung des Anrufens des Heligen Geists während des Gottesdienstes. Unfehlbarkeit ist die Eigenschaft Gottes, nicht die des Menschen; die Wahrheit und die Gnade hält man in der Kirche durch die Handlung aufrecht, nicht durch irgendeinen Mann oder eine Gruppe von Männern, so ausgezeichnet und heilig sie auch sein mögen, sondern durch das Wirken des Heiligen Geistes Gottes. Deshalb mußten die Päpste, wenn sie sich selbst in die Höhen der Unfehlbarkeit „heben“ wollten, den Heiligen Geist irgendwie „zurückstufen“ und selbst Seine Stelle im Göttlichen Gefüge einnehmen. Das geschah über das Filioque, das den Geist zum Subjekt sowohl des Vaters als auch des Sohnes machte und über die Doktrin vom Papst, als dem „Vikar von Christus“. Mit der Erniedrigung des Heiligen Geistes in eine Position unter die des Sohnes und der Erhöhung des Papstes zu einer Position, die, wenn auch nicht gleich der von Christus, so aber doch wenigstens direkt unter ihm war, war der Weg für die Ausrufung des Papstes als „absoluter Garant des Willens und der Lehren des Göttlichen Schöpfers“ geebnet, wie man in einem mit Druckerlaubnis des Vatikans herausgegebenen Buches vor kurzem lesen konnte.

Bis zum elften Jahrhundert war die Theorie päpstlicher Unfehlbarkeit in Worten nicht vollständig ausformuliert. Davor haben wir eine Ansammlung schwülstiger Beiworte, die die Mehrheit lediglich als rhetorische Devisen ansah. Daß sie nicht wörtlich genommen wurden, zeigt sich in der Tatsache, daß manche Päpste als Häretiker verdammt wurden – so etwa der Monothelet Papst Honorius I., der vom Sechsten Ökumenischen Konzil mit dem Anathema belegt wurde, was auch von späteren Päpsten bestätigt wurde. Weiterhin verweigerte gegen Ende des sechsten Jahrhunderts Papst Gergor I. standhaft die Annahme des Titels „Weltbischof“: „Jeder, der es wagt, sich ‚Weltbischof‘ zu nennen, ist ein Vorläufer des Antichrists“.

Bis gegen 600 war, wie wir gesehen haben, die Entwicklung des Papismus durch die Tatsache gehemmt, daß die Päpste im Machtbereich des Byzantinischen Kaisers waren, dessen grundsätzliche Sichtweise der Beziehungen von Kirche und Staat sie teilten und dessen Bestätigung sie immer noch brauchten, bevor sie eingesegnet werden konnten. Im siebten und achten Jahrhundert wurden jedoch die politischen und kirchlichen Bindungen zwischen den Päpsten und den Kaisern schwächer, weil die byzantinische Macht in Italien schwächer wurde und die byzantinischen Kaiser verfielen den Häresien des Monothletismus und des Bildersturms. Die Entfremdung von Byzanz ging einher einer Annäherung zum neuen Karolingischen Reich im Norden. Diese Beziehungsanordnung wurde verstärkt durch die doppelte Salbung des ersten Karolingers, Pipin, durch den Papst, die Krönung Karls des Großen in Rom und die doppelte Salbung seines Sohnes Ludwigs des Frommen im Jahr 814. Zur gleichen Zeit begannen die fränkischen Bischöfe gestützt auf den Pseudo-Isidorischen Dekretalen das Thema des päpstlichen Primats und die Unabhängigkeit des Klerus von gesetzlicher Kontrolle in den Vordergrund zu stellen. Zur Mitte des Jahrhunderts tauchte eine weitere Fälschung auf, die berühmte Konstantinische Schenkung. Diese behauptete, daß Konstantin der Große seinen Reichsthron Papst Sylvester und seinen Nachfolgern überlassen habe, weil „es nicht recht ist, daß eine weltlicher Herrscher Macht hat wo die Regierung der Priester und das Haupt der christlichen Relgion vom himmlischen Herrscher aufgerichtet worden ist“, weswegen er die Hauptstadt nach Konstantinopel dem Neuen Rom verschoben habe. „Und wir weihen und erlassen, daß er [der Römische Pontifex] auch regieren soll über die vier Bischofssitze Antiochia, Alexandria, Konstantinopel und Jerusalem und ebenso über Gottes Kirchen überall in der Welt. Und der Pontifex, der bis auf weiteres über die heiligste Römische Kirche präsidieren soll, soll der höchste und der Vorgesetzte von allen Priestern auf der Welt sein und seiner Entscheidung gemäß sollen alle Angelegenheit geregelt werden“.

Nun hat Romanides argumentiert, daß es Zweck dieser Fälschung war, die Franken davon abzuhalten, ihre Hauptstadt in Rom zu etablieren. Das mag schon so sein; aber auf längere Sicht war seine Bedeutung weitaus größer, als der Konflikt zwischen Rom und Franken, insofern es eine eher neue Theorie zum Verhältnis zwischen säkularer und kirchlicher Macht darstellte. Denn anders als die Lehre der „Symphonie“ der zwei Mächte, die im Osten und byzantinischen Westen vorherrschte, behauptete die in der Schenkung implizierte Theorie letztendlich, daß der Kopf der Kirche eine höhere Macht hätte, als der Kaiser (sei er von West oder Ost) und das auch in juristischen Angelegenheiten; als könnte der Kaiser seine Herrschaft nur als eine Art von Vasall des Papstes ausüben. Natürlich gibt es in dieser Theorie einen inhärenten Widerspruch. Wenn es St. Konstantin war, der die Macht an St. Sylvester war, dann liegt die ultimative Macht beim Kaiser. Diese Konsequenz wurde jedoch ignoriert, angesichts der dringenden Notwendigkeit, eine Rechtfertigung für die Expansionspläne der Papisten zu finden. Jahrhunderte später, im Jahre 1242, wurde dieser Fehler in der Papsttheorie durch ein Papst Innozenz IV. zugeschriebenes Pamphlet korrigiert, indem erklärt wurde, daß die Schenkung kein Geschenk, sondern eine Rückerstattung war.

Übersetzung des Kapitels „Die Deutschen und das Filioque“ aus The Mystery Of Christian Power

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