Seit der überstürzten Ausreise des langjährigen tunesischen Präsidenten Zine al-Abidine Ben Ali überstürzen sich Medien und Politiker mit Ratschlägen: Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert Übergangspräsident Fouad Mbazaa auf, auf die protestierenden Menschen zuzugehen und „wirkliche Demokratie“ einzuführen. Der ehemalige EU-Kommissar und jetzige italienische Außenminister Franco Frattini will Tunesien „näher an die EU angerückt“ sehen und schlägt vor, „Jugendlichen aus Ländern wie Tunesien Aufenthalte in EU-Ländern zu ermöglichen“.
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Tunesien: Ratschläge von Ratlosen
Januar 16, 2011Arabische Charta der Menschenrechte
Mai 4, 2009Ich lerne gerade, daß es neben der Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam auch noch eine Arabische Charta der Menschenrechte gibt. Während die Kairoer Erklärung von 1990 von den OIC-Staaten stammt, wurde die Arabische Charta 2004 von der Arabischen Liga beschlossen.
Eine englische Übersetzung des Textes findet sich hier.
Wie die Kairoer Erklärung sieht die Arabische Charta kein Recht auf Wechsel der Religion vor. Insofern sind beide gleich schlecht und gehen mit dem UN Zivilpakt konform, der ja auch kein Recht auf Taufe für Muslime vorsieht.
Was der französischen Besetzung Algeriens vorausging
April 12, 2009Den Europäern wird immer gerne vorgeworfen, daß sie Kolonien gehabt hatten:
Im islamischen Raum ist die mangelnde Bildung ein großes Problem und Regierungen die gerne ihre Menschen instrumentalisieren und unterdrücken. Außerdem sind Interessengruppen beteiligt, die nach dem System “Teile und Herrsche” agieren, braucht man sich nur den Irak angucken.
An der Situation sind “wir” aus dem Westen historisch nicht unschuldig,durch den Kolonialismus und diverse Kriege, aber das entbindet natürlich nicht von heutiger Verantwortung.
Interessant ist, daß man uns — dem Europa also, dessen geistiges Spektrum von Christentum bis zum Humanismus reicht — die Schuld für die dortige Ungebildetheit in die Schuhe schieben will.
Hätten diese Länder nicht selbst für die Bildung ihrer Einwohner sorgen können? Geschichtssendungen wie Welt der Wunder geben Aufschluß über die erstaunlichen wissenschaftlichen Leistung des islamischen Kulturraums in der Zeit des Mittelalters.
Woran also lag es, daß daraus keine gebildeten Nationen wuchsen?
Sieht man sich die geschichtlichen Beweggründe für die Kolonialisierung an, dann findet man Spuren wie diese:
Im Jahr 1801 begannen die USA, die den Piraten bis dahin Schutzgeld gezahlt hatten, mit einer Reihe von Interventionen in Nordafrika (Erster und Zweiter Barbarenkrieg), welche die von dort ausgehende Piraterie militärisch unterbanden. Der spätere amerikanische Präsident John Adams äußerte damals den prophetisch anmutenden Satz: “We ought not to fight them at all unless we determine to fight them forever.”
Die französische Besetzung Algeriens 1830 und später Tunesiens sicherte den Mittelmeerraum anschließend dauerhaft. Den historischen Kontext des Geschehens sollte man nicht vergessen, wenn man heute historische europäische Einflußnahme im Nahen Osten verurteilt.
Ein klares Zeugnis dafür, daß das vorkoloniale Algerien ein Piratennest gewesen war, das dem heutigen Somalia recht ähnlich gewesen sein dürfte. Daß Bildung dort keinen Wert hatte, sagt einem der gesunde Menschenverstand.
Was also hätte Frankreich damals anderes tun sollen? Kredite zur Verfügung stellen, um das Wirtschaftswachstum zu fördern und damit den Piratenstaat zu stärken? Entwicklungshelfer schicken, die dann als Geiseln genommen werden?
Solange die staatliche Macht dort ihre schützende Hand über einen Wirtschaftszweig hielt, der von Versklavung und Geiselnahme lebte, war daran nicht zu denken. Es blieb also gar kein anderer Weg, als mit militärischen Mitteln für Recht und Ordnung zu sorgen.

Bombardierung Algiers im Jahr 1816
Algerien war damals das, was man heute als Failed State, als gescheiterten Staat bezeichnen würde. Einige derjenigen Staaten, die zu europäischen Kolonien wurden und nach ihrer Entlassung in die Unabhängigkeit heute als gescheitert bezeichnet werden müssen, waren also schon gescheitert bevor sie zu Kolonien wurden.