Der Tote Winkel der israelzentrierten Islamkritik

Auf PI-News erschien gestern dieser Artikel zu einer Fernsehsendung zum Thema Feindbild Islam – Wird die Angst zum Hass? Michael Stürzenberger ist in jedem Fall dafür zu loben, daß er sich die Arbeit gemacht hat, die dort vertretenen Positionen in Textform zu dokumentieren.

Berechtigung der Islamkritik

Es läßt sich nicht bestreiten, daß Angst eine wichtige Rolle bei der Islamkritik spielt. Es wäre jedoch falsch, diese Angst als unbegründet abzutun. Als Grund genügt bereits, daß die Abkehr vom Islam mit dem Tode bedroht wird. Die als Islamophobie bezeichnete Angst vor dem Islam wird sich nicht verhindern lassen. Sie ist nicht irrational und schon gar keine Krankheit. Richtig ist aber, daß diese Angst zum Problem wird, wenn sie zum Nährboden für Hass wird.

Hass gegen Menschengruppen unter Islamkritikern
Mir selbst sind innerhalb der Islamkritiker-Szene viele begegnet, bei denen ich nicht wirklich sagen könnte, ob sie nur den Islam hassen oder auch die Gesamtheit der Muslime. Bei einer Diskussion zum militärischen Eingreifen der NATO in Libyen vor rund einem Jahr hat eine Person jedoch eine Äußerung gemacht, die nur als Hass gedeutet werden kann: Es sei doch gut, wenn sich die gegenseitig umbringen. Eine Position, die ich nicht akzeptieren kann. Mein Nachhaken ergab, daß diese Person Muslime als dermaßen unzivilisiert ansieht, daß sie sie den Tieren näher als den Menschen wähnt. Wer an diesem Punkt angelangt ist, dem braucht man nichts mehr von Feindesliebe erzählen. Nachdem sie eine Jüdin war, wäre das ohnehin vergebens gewesen. Sie nahm zudem ihren Glauben auch nicht ernst. Sehr zu meinem Bedauern hat es sie nicht interessiert, als ich mich mit ihr über die 613 Mitzwot unterhalten wollte. Einzig die Speisevorschriften schien sie ernst zu nehmen. Sie bezeichnete sich als selbst Anarchistin und, soweit ich mich erinnere, auch als Atheistin.

Vor etwas mehr als zwei Wochen stieß ich dann hier auf sehr eine sehr ähnliche Position. In einer etwas verschrobenen Weise sprach dort ein Kommentator mike hammer von einer „Bestie“ in Syrien, die demnächst fallen werde, von anderen, die schon erledigt seien („Gaddafi, Saddam, Mubarak„), und von „den Scheichs“, deren „Kinder“ dann von einem „Schwert“ erschlagen würden, das von „den Saudis“ irgendwie geschärft und geschmiedet werde. Mein kritischer Einwand, daß hier anscheinend eine Gruppe von Menschen zu reißenden Tieren erklärt wird und daß ich nicht erkennen kann, wie sich dieser Kommentator von denen unterscheidet, die Juden als „Affen und Schweine“ bezeichnen, konnte mike hammer zwar nicht umstimmen, stieß bei anderen Kommentatoren aber immerhin auf Verständnis. Es hieß, er gehöre „zum primitivsten, menschenverachtendsten und faschistischten Inventar dieses Blogs“; ihm werde von Ulrich J. Becker zwar gelegentlich „in den Hintern getreten“, „aber eben nicht konsequent genug“. Über mike hammer kann ich nur sagen, daß er aus dem von ihm leidenschaftlich gehaßten Russland stammt und ebenfalls jüdischer Herkunft ist — er kam mir jedoch vor wie ein Atheist.

Natürlich findet sich diese Art des Hasses nicht nur bei Menschen jüdischer Herkunft. Andrew C. McCarthy, dessen Positionen ich hier und hier kritisiert hatte, gehört für mich der selben Gruppe von Islamkritikern an. Wegen seiner „freimütigen“ Art des Argumentierens sehe ich in ihm einen Liberalen: Seiner Darstellung nach gehört gegenseitiges Abschlachten zur „Alltagskultur“ in Syrien. Ich finde das obszön und menschenverachtend. Sein Elternhaus könnte protestantisch gewesen sein.
Relevanz des Hasses
Keiner der hier Aufgeführten wäre zu Taten fähig, wie Anders Behring Breivik sie im Juli 2011 in Norwegen beging. Wo liegt dann das Problem bei diesem Hass? Es liegt dort, wo unter dem Deckmantel der Islamkritik eine diffuse Stimmung erzeugt wird, die Krieg und Bürgerkrieg in islamisch geprägten Ländern willkommen heißen soll und als Lösung für unser Problem mit dem Islam präsentiert.

Für uns in Deutschland klingt das abwegig. Schließlich ist nicht erkennbar, welches unserer Probleme mit den bei uns lebenden Muslimen sich durch Kriege in diesen Ländern lösen lassen sollte. Die Kriege gegen Afghanistan, den Irak und Libyen hatten keinen Einfluß darauf, wie viele Vollverschleierte durch Berlin und andere deutsche Großstädte wandeln oder wie viele jugendliche Türken und Araber sehnsüchtig darauf warten schief angeschaut zu werden, um dann ihre „Ehre“ mit Fäusten und Messern „verteidigen“ zu können. Auch die künftigen Kriege des Westens in der Region werden keinen Einfluß darauf haben.
Israel-Zentriertheit
Vielen Islamkritikern geht es aber gar nicht um Deutschland, sondern um Israel. So sprach Michael Stürzenberger in seinem Kommentar auf das umstrittene Gedicht von Günter Grass im April 2012 von einem Israel „an der Frontlinie des internationalen Djihad“. Wer den Text liest bekommt den Eindruck, daß der Iran schon morgen oder übermorgen die Atombombe haben wird und sie ganz sicher auch sofort einsetzen wird. Der Iran hat aber gar nicht vor eine Atombombe zu bauen. Unter Verweis auf eine Fatwa von Staatsoberhaupt Ali Khamenei werden Herstellung und Erwerb von Atomwaffen abgelehnt. Das weiß man in den USA auch. Um Irans Bevölkerung trotzdem mit noch mehr Wirtschaftssanktionen peinigen und einen Krieg vom Zaun brechen zu können, hat man sich deshalb nun darauf verlegt, dem Iran die Aneignung von „Fertigkeiten“ verbieten zu wollen, die auch zum Bau einer Atombombe genutzt werden könnten. Die hierzu vom US-Repräsentantenhaus im Mai 2012 verabschiedete Resolution ist derart schwammig, daß dem Iran nahezu alles verboten wird. Das alles könnte Stürzenberger wissen. Es interessiert ihn aber ebenso wenig wie die Tatsache, daß Präsident Mahmud Ahmadinedschad wegen seines Nationalismus bei Khamenei schon längst in Ungnade gefallen ist und angekündigt hat sich 2013 aus der Politik zurückziehen zu wollen. Interessieren dürften Stürzenberger dagegen die immer sehr dramatisch klingenden Geheimdienst-„Analysen“ aus Israel zum iranischen Atomprogramm.

Ein weiteres Beispiel für die Israel-Zentriertheit ist der Krieg gegen Syrien. US-Sentator John McCain warb in der Charlie-Rose-Sendung vom 23. April 2012 unter Verweis auf den Holocaust (2:10 – 2:43) für Waffenlieferungen durch die USA, um den von Washington bereits politisch-diplomatisch befeuerten Bürgerkrieg anzuheizen und so Präsident Assad zu stürzen. Kurz davor (1:05-1:11) hatte McCain erklärt, iranische Einheiten würden in Syrien eingesetzt; diese falsche Behauptung dient offenbar dazu, das säkular ausgerichtete Syrien möglichst nah an den theokratischen Iran zu rücken. Mit diesen beiden Aussagen gab McCain zu verstehen, daß die Intervention des Westens Israel ebenso nützen würde wie der syrischen Bevölkerung und sprach sich gleichzeitig gegen eine offene Debatte darüber aus, ob überhaupt interveniert werden soll — McCain ist gegen eine Abwägung von Für und Wider. Bemerkenswert sind auch McCains Äußerungen zur Moslembruderschaft. Er äußert zwar Bedenken, daß es dort auch radikale Kräfte gibt, hat aber kein grundsätzliches Problem mit einer „islamischen Regierung“ in den Ländern der Region, Israel habe schließlich auch eine „jüdische Regierung“ (8:00-8:54).

Mit seiner Fürsprache für die bereits von den Nazis unterstützte Moslembruderschaft und dem Verweis auf israelische Sicherheitsinteressen widerlegt McCains somit Stürzenbergers Suggestion, wonach eine Unterstützung Israels zu einer Schwächung des „internationalen Djihad“ führen müsse. Daß gerade das Gegenteil der Fall ist, beweist die Führung und Anleitung der  Milizen der „Freie Syrische Armee“ durch die Moslembruderschaft und deren Unterstützung mit Waffen und Geld durch Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Man könnte darüber hinweggehen, hätte nicht ausgerechnet der Generalvorsitzende der Moslembruderschaft das Töten alewitischer Frauen und Kindern öffentlich genehmigt. Nachdem er dabei sogar die Ausrottung ganzer Dörfer empfahl — ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit — muß von einem Totalausfall der Islamkritik gesprochen werden.
Fazit
Der Islam wird zurecht kritisiert. Es gibt Hass gegen Menschengruppen unter Islamkritikern. Zur Überwindung des Hasses bedarf es des Bekenntnisses zur christlichen Feindesliebe. Der Hass äußert sich in Stereotypen, mit denen islamisch geprägten Kulturen der Rang einer Zivilisation abgesprochen wird. Die zeitgenössische Islamkritik geht oft Hand in Hand mit einer gewissen Israel-Zentriertheit. Diese letztlich willkürliche Ausrichtung führt zu einer selektiven Wahrnehmung, die der Glaubwürdigkeit der Islamkritik insgesamt schadet. Im Toten Winkel der Islamkritik geschehen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, für die die Fürsprecher der israelzentrierten Islamkritik eine Mitschuld trifft.

Explore posts in the same categories: Iran, Israel, Syrien, USA

9 Kommentare - “Der Tote Winkel der israelzentrierten Islamkritik”


  1. […] was die Islamkenntnisse nicht hervorrufen sollten, ist Hass. https://antifo.wordpress.com/2012/07/05/der-tote-winkel-der-israelzentrierten-islamkritik/ Natürlich gibt es durchgeknallte Menschen, die aus ideologischen Gründen andere Hassen; oder es […]

  2. kosh Says:

    Fürs Notizbuch

    Wenn der 3. Kommentar hintereinander („Kuckuck?“) …

    -> http://quotenqueen.wordpress.com/2012/07/04/moslems-wollen-wegen-beschneidung-vors-bvg/

    … nicht durchkommt, dann gehe ich davon aus, dass die QQ-Hasbara den verlockenden Schein nicht mehr aufrecht erhalten konnte und mich sperren musste. Die darauffolgenden Beiträge gehören natürlich in mein Hasbara-Album 🙂

    Vielen dank noch für das Beweismaterial, den entlarvenden Hammer-Link. Mach’s gut und halt die Ohren steif!

    Grüsse
    kosh

  3. kosh Says:

    Entschuldige, falscher Alarm, 1 von 3 Kommentaren wurde nach reiflicher Überlegung freigegeben, nachdem andere schon längst durch waren. Werde Dich wissen lassen, wann der übel nachgeredete Troll fällig war.

    Grüsse
    kosh

    • antifo Says:

      Bitte: Ich muß nicht alles wissen, was bei QQ vor sich geht.
      Mich interessiert auch dieser mike hammer nicht wirklich. Mehr als die Rolle eines Studienobjekts würde ich ihm nicht zubilligen.

      • kosh Says:

        Bitte um Entschuldigung, werde Dich keinesfalls überfluten. Mir geht’s nur um den Informationsfluss. Für gewöhnlich werden Kommentare nämlich nicht nachgereicht, deswegen der Rohrkrepierer. War schon drauf und dran, zur üblichen Routine überzugehen 🙂

        Studienobjekt: Wir studieren unterschiedliche Aspekte der Hasbara. Meiner Schwiegermutter dürfte ich Deinen Link nicht präsentieren, die würde 1 Woche nicht schlafen ob der Vorstellung, dass soviel Hass in unserer „zivilisierten“ Zeit, noch dazu in diesen Kreisen.

        Grüsse
        kosh


  4. […] wohl wichtigste Stützpfeiler israelzentrierter Islamkritik ist, daß Israel gegen den militanten Islam kämpft und daß Islamkritiker sich Israel deshalb […]

  5. Pet Says:

    Wen wundert’s?!?
    Zionisten sind doch mit die größten noch verbliebenen (d.h. noch nicht von der Aufklärung eingeholten) Rassisten unter der Sonne.


Hinterlasse eine Antwort zu kosh Antwort abbrechen