Zusammenprall der Säkularisationen
Übersetzung des Textes
The Pope And Islam: The Clash Of Secularizations
aus dem Jahr 2006
Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen. (Joh. 1,5)
Es ist zu verstehen, wenn ein christlich-orthodoxe Kaiser von Konstantinopel, der einen Großteil seines Territoriums und seiner Bevölkerung durch das Zerstörungswerk muslimischer Invasoren verlor, im 14. Jahrhundert nichts Gutes in Mohammed sehen konnte. Ebenso ist zu verstehen, wenn dieser von einem Papst von Rom im 21. Jahrhundert zitiert wird und Muslime über die Äußerung dieses Zitats im zeitgenössischen Kontext protestieren.
Der zeitgenössische Kontext ist, daß westliche Streitkräfte in muslimische Länder einmarschierten. Muslime sind im Allgemeinen nicht mehr die Angreifer, sondern die Angegriffenen, und sie verhalten sich so, wie sich aufgebrachte Opfer überall auf der Welt verhalten, mit geschmackloser Vergeltung. Bombardiert in Gaza und im Libanon, wo sie seit bald sechzig Jahren in Flüchtlingslagern leben, besetzt im Irak und Afghanistan, beleidigt vom ehemaligen Führer Italiens, der die westliche Invasion als „Kreuzzug“ bezeichnete, haben Muslime das Recht beleidigt zu sein. Muslime, die eine Puppe Papst Benedikts XVI. verbrennen und Kirchen und Priestern in ihren Ländern mit dem Tod drohen, erinnern uns jedoch an muslimische Fanatiker, die in diesem Jahr in London mit der Parole protestierten: „Tod denen, die sagen, daß der Islam gewalttätig ist.“
Es ist tatsächlich außergewöhnlich, daß einem angeblich unfehlbaren römischen Papst so eine Entgleisung passiert. (Man wird natürlich sagen, daß er seine Bemerkungen nicht „ex-cathedra“ machte — die Unfehlbarkeit kennt eine Rückzugsklausel) Der institutionalisierte römische Katholizismus hat eine lange Geschichte der Gewalt. Tatsächlich hat er sich durch Gewalt ausgezeichnet, seit er im 11. Jahrhundert seinen Anfang nahm. Ob in Sizilien, den Britischen Inseln, der iberischen Halbinsel, im Heiligen Land, Zypern, Zentral- und Osteuropa oder dem Südwesten von Frankreich, die Kreuzzüge waren römisch-katholischer Dschihadismus, wobei wahrscheinlich mehr orthodoxe Christen und Juden abgeschlachtet wurden als von Muslimen, und die ansonsten recht herzlichen Beziehungen zwischen muslimischen Siedlern im Heiligen Land und den einheimischen orthodoxen christlichen Bewohnern ruiniert wurden. Daher wundert es auch nicht, wenn einige Orthodoxe sagten: „Lieber den Turban des Sultans, als die Tiara des Papstes“.
Erwähnt werden kann hier auch die Inquisition („Tötet sie alle – Gott wird die Seinen schon erkennen„), die „Religionskriege“ des 16. Jahrhunderts, die Unterdrückung der Orthodoxen durch das imperialistische Polen des 17. Jahrhunderts und der darauf folgende unierte geistige Betrug, oder die Abschlachtung der Orthodoxen in Bosnien und Kroation im 20. Jahrhundert (die für diesen Genozid Verantwortlichen bekamen 1945 Schutz durch den Vatikan und wurden heimlich ins katholische Argentinien und faschistische Spanien gebracht, wo sie in hohem Alter starben). Die Tatsache, daß der Vichy-Judenhasser Paul Touvier fast fünfzig Jahre lang in einem römisch-katholischen Kloster in Frankreich versteckt wurde und erst in den 1990er Jahren entdeckt wurde, gehört auch nicht gerade zu den Verdiensten des Vatikan.
Leider dauern Gewalt und Unterdrückung des Vatikan bis heute an, so mit der Unterdrückung der Orthodoxen durch die römischen Katholiken in Polen, der Slowakei, der Ukraine, Kroatiens (wieder mal) und nun dem Kosovo. Es ist nichts als Heuchelei, wenn sich der römische Papst über religiöse Gewalt beschwert. Sie ist wirklich nicht „rationaler“, als die Logik der muslimischen Dschihadisten. Zur Person des Papstes ist jedoch zu sagen, daß er eben eine Geisel oder ein Gefangener des von ihm vertretenen institutionellen und westlichen „Rationalismus“ ist.
Die protestantische Welt sollte das nicht zum Anlass für eine Verächtlichmachung nehmen. Der institutionalisierte Katholizismus kennt seine Verbrechen von Lateinamerika bis Indochina, aber auch der Protestantismus hat seine Verbrechen. So im 19. Jahrhundert, als britische Regierungen und wirtschaftliche Interessen zur Entstehung eines Weltreiches führten, mit der Ausrede „den Eingeborenen“ das Evangelium zu bringen. Überall auf der Welt beutete dieses Imperium die unterworfenen Völker aus, sorgte für deren Verarmung und Verbitterung. Fast nur in Afrika empfingen „die Eingeborenen“ das Evangelium, was die einzig mögliche Rechtfertigung für dieses Imperium darstellt. Sogar dort haben haben die Afrikaner jedoch bis heute mit der Trennung des Evangeliums von den kulturellen Fallstricken des Westens zu kämpfen. Das britische Imperium zerfiel im 20. Jahrhundert, wurde aber durch ein anderes protestantisches Imperium ersetzt, das amerikanischen. Auch hier diente eine Mission zur „Zivilisierung“ als Begründung, wobei die Wörter „Freiheit“ und „Demokratie“ ironischerweise verwendet wurden, um Unterdrückung zu rechtfertigen.
Dabei kann von „Demokratie“ in den Staaten des Westens kaum gesprochen werden, deren Minderheiten-Regierungen ohne Berücksichtigung der Sichtweisen ihrer Völker agieren. Kulturell gesehen läßt sich auch diese symbolische westliche Demokratie nicht ohne die individualistische protestantische Mentalität exportieren. (Das erklärt, weshalb die am meisten demokratischen Länder in Skandinavien und der Schweiz sind). Bemerkenswert ist, daß heute die Hälfte der christlichen Missionare weltweit Amerikaner sind, und diese auch nur dort beschränkte Erfolge vorweisen können, die in den vergangenen fünfzig Jahren einer Amerikanisierung unterworfen waren — Lateinamerika, Südkorea, die Philippinen usw. Deren „Evangelium“ ist auch immer noch Teil einer gefährdeten und zutiefst säkularen westlichen Kultur.
Mittlerweile sollten die protestantisch gesonnenen „Kreuzritter“ im Irak und Afghanistan verstanden haben, daß die Invasion in andere Länder der sicherste Weg ist, um einen „Aufstand“ zu schaffen. Den Deutschen war das nach ihrer Invasion Frankreichs 1940 klar geworden. Die Résistance Frankreichs formierte sich wie aus dem Nichts. Die Alliierten sahen in den Angehörigen der französischen Resistance Freiheitskämpfer und Helden; für die Nazi-Invasoren waren sie dagegen das, was die Regierungen des Westens heute als „terroristische Aufständische“ bezeichnen. Erobere ein fremdes Land und Deine ehemaligen Freude dort werden bald Deine Feinde sein. Das ist nicht schwer zu verstehen. Könnte man hier nicht aus der Geschichte lernen?
Der institutionalisierte römische Katholizismus, „der Vatikan“, trägt unbestreitbar eine bald tausendjährige Last von Verbrechen auf seinen Schultern. Ganz anders sähe die Sache aus, wenn der katholische Glaube, die institutionalisierte Religion von der Politik, das Römische vom Katholischen entfernt würde. Katholizismus ohne Ideologie, ohne Papismus, ohne den Vatikan, ohne Unterdrückung, scheint uns ein respektables Konzept zu sein. Genau das ist es, woran die gewöhnlichen Katholiken eigentlich glauben. Nur wäre es dann eben nicht mehr Katholizismus — sondern etwas anderes — dem Christentum ähnlich. Der römische Katholizismus und seine staatlich manipulierten protestantischen Kinder, bilden weniger eine Zivilisation als eine Säkularisation. In seiner Verbundenheit mit der Welt ist das institutionalisierte westliche Christentum unausweichlich säkular.
Tatsache ist, daß der institutionalisierte Islam ebenso eine gut tausendjährige Geschichte der Gewalt auf seinen Schultern trägt. Wenn jedoch die Politik vom muslimischen Glauben entfernt wird, die Institutionalisierte Religion vom Glauben, der Dschihad vom Islam, wir bekämen ein anderes Bild. Der Islam ohne Ideologie, ohne „Islamismus“, ohne Fanatismus, ohne Unterdrückung, scheint uns ein respektables Konzept zu sein. Genau daran glauben die meisten Muslime tatsächlich. Nur wäre es dann nicht mehr der Islam — sondern etwas anderes — dem Christentum sonderbar ähnlich. Der Islam als Institution und seine staatlich manipulierten schiitischen Kinder, bilden weniger eine Zivilisation als eine Säkularisation. Verbunden mit der Welt ist der institutionelle Islam unausweichlich säkular.
In den vergangenen Jahre und besonders seit dem 11. September 2001 war viel die Rede von einem Zusammenprall der Zivilisationen, mit dem Fokus auf die sogenannte „christliche“ (d.h. tatsächlich westlich-säkulare) Welt und die islamische Welt. Echte Zivilisationen prallen aber nicht zusammen, sie kooperieren. Der heutige westlich-muslimische Konflikt ist kein Zusammenprall der Zivilisationen, sondern ein Zusammenprall zweier säkularer Systeme, denen es um Macht, Territorien und Resourcen (besonders Öl, aber immer mehr auch Wasser) geht.
Und die Dämonen, die die leeren Häusern dieser säkularen Zivilisationen zur Wohnstatt genommen haben (Lk. 11, 24-26), lassen sich nicht mit politischen, militärischen, wirtschaftlichen oder von institutionalisiert religiösen Mitteln irgendeiner Art austreiben, sondern nur mit geistigen. Jeder Versuch die Welt ohne eine geistige Sichtweise zu organisieren ist zum Scheitern verurteilt, weil es die wesentlich geistige Natur und Bestimmung der Menschheit ignoriert. Erst wenn die Völker über das Geistige reden, ohne Vermengung durch Unrat, werden wir Frieden und Eintracht in dieser traurigen und finsteren Welt zu sehen beginnen, die derzeit kopflos auf ihr Ende zurast.
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