Symbolismus als neue politische Norm

Sigmar Gabriel, der Parteivorsitzende der SPD, hat sich in einem Interview mit der „Zeit“ kürzlich offen zur Symbolpolitik bekannt:

ZEIT: Sind nationalstaatliche Regelungen aber letztlich nicht reine Symbolpolitik?

Gabriel: Nein. Selbst wenn man der Finanztransaktionssteuer keine Lenkungswirkung zubilligt, so bringt sie doch Geld in die Kasse, auch wenn man sie nur national einführt – und zwar von den richtigen Leuten. Wer an der Börse spekuliert, weil er ohne Leistung Geld verdienen will, soll ruhig dafür bezahlen. Und auch wenn das Symbolpolitik wäre, wäre dagegen nichts einzuwenden. Wenn man den Menschen den Eindruck vermittelt, sie müssten das Treiben der Spekulanten hinnehmen und auch noch dafür zahlen, dann darf man sich nicht wundern, wenn das Vertrauen in demokratische Politik schwindet.

Was Gabriel hier letztlich sagt, ist, daß politische Symbole wichtiger seien, als die eigentlichen Inhalte. Als Ausrede für diese Haltung wird meist angeführt, daß man komplizierte Sachverhalte dem Wähler nicht vermitteln könne, weil er quasi zu dumm sei. Auch kürzlich bei dieser Maybritt-Illner-Sendung wurde so argumentiert; soweit ich mich erinnere von Volker Kauder (CDU). Der wahre Kern dahinter ist freilich, daß Politiker bei der Vermittlung von Inhalten von den Medien abhängig sind. Wenn nun aber die schlechte Qualität der „Qualitätsmedien“ zur Rechtfertigung fragwürdigen politischen Handelns erklärt wird, dann kommt das einer Kapitulation der Politik vor den Medien, der vierten Gewalt im Staate, gleich. Das Fatale daran ist, daß diese Kapitulation damit begründet wird, daß man das „Vertrauen in die demokratische Politik“ wieder herstellen wolle. Genau das Gegenteil wird aber der Fall sein, weil auch Wähler, die sich nicht jeden Tag mit Politik beschäftigen, natürlich erwarten, daß Politik stimmige und glaubwürdige Lösungen anbietet. Sich in politischem Symbolismus zu ergehen ist das gerade Gegenteil davon: es ist Demagogie.

So neu ist der Symbolismus allerdings nicht. Wenn man bzgl. der beiden Weltkriege und Auschwitz von einem Scheitern der Vernunft zusammen der Moderne reden kann, dann wohl nur deshalb, weil sich in dieser Zeit der Symbolismus unter dem Deckmantel der Vernunft hatte durchsetzen können: so wie die Kommunisten den „Kapitalisten“ zum Hasssymbol machten, so machten die Nationalsozialisten „die Juden“ zum Hasssymbol. In beiden Fällen konnte man nicht von einem rationalen Politikansatz sprechen, weil Esoterik das bestimmende Moment war.

Dennoch kann man den Rationalismus nicht gänzlich freisprechen, weil der Symbolismus ja erst dadurch mächtig werden konnte, weil der Glaube an die Vernunft damals an sein Ende gelangt war. Es war die erdrückende Übermacht des Rationalismus, die zu seinem Kollaps führte. Von daher ist es richtig zu sagen, daß im Rationalismus ebenso eine satanische Versuchung des Menschen liegt, wie im Symbolismus. Echte Vernunft kann es nur dort geben, wo sich der Mensch dieser Gefahren von Rationalismus und Symbolismus gleichermaßen bewußt ist:

Denn die Juden fordern Zeichen und die Griechen fragen nach Weisheit, wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit. (1. Kor. 1, 22—23)

Pantokrator

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One Comment - “Symbolismus als neue politische Norm”


  1. […] den Kommentaren von  Haiduk bin ich auf diesen interessanten Beitrag gestoßen: https://antifo.wordpress.com/2010/05/30/symbolismus-als-neue-politische-norm/ Gesetze usw. nur einführen, um die Menschen zu beruhigen… Wähler werden ganz offen für […]


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