Archiv für Januar 2010

Unter Adenauer gab es keine Abgrenzungsdebatten

Januar 24, 2010

Aus Robert Spaemann: „Meinungsfreiheit eingeschränkter als in der Adenauer-Zeit“:

Robert Spaemann: „Meinungsfreiheit eingeschränkter als in der Adenauer-Zeit“

Es geht um Grundsätzliches: Im Konflikt mit der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands (EKM) erhält die „Junge Freiheit“ nun auch Unterstützung vom Philosophen Robert Spaemann. Er hält die Vorwürfe gegen den Chef der evangelischen Nachrichtenagentur „idea“, Helmut Matthies, für empörend, weil sie „Teil eines Prozesses der zunehmenden Einschränkung der Meinungsfreiheit“ seien.

Mittlerweile sei die Meinungsfreiheit nach Auffassung des 1927 geborenen Spaemann „eingeschränkter als in der oft geschmähten Adenauer-Zeit“. Auch damals sei zwar „viel böse Polemik im Spiel“ gewesen, „aber es gab doch eine sehr viel stärkere Auseinandersetzung in der Sache. Trotz allem ist man auf die Argumente der Gegenseite eingegangen – und sei es nur, um zu zeigen, daß sie falsch sind.“ So sei es laut Spaemann in den fünfziger Jahren sogar möglich gewesen, in der Debatte den Stalinismus zu verteidigen.

Als „völligen Unsinn“ bezeichnet der Katholik im „Junge Freiheit“-Interview die in einer Pressemitteilung der EKM vertretene Auffassung, die Annahme des Gerhard-Löwenthal-Preises verletze die „Tabugrenze im Graubereich zum Rechtsextremismus“. In der vergangenen Woche soll es laut „Junge Freiheit“ aufgrund der Pressemitteilung zu einem Gespräch zwischen der Bischöfin der EKM, Ilse Junkermann, dem Urheber der Pressemitteilung, Oberkirchenrat Christhard Wagner, dem idea-Vorsitzenden, Pastor Horst Marquardt, und Helmut Matthies gekommen sein. Über die Annahme des Preises und die damit verbundene Außenwirkung bestünde demnach weiterhin eine unterschiedliche Einschätzung. Der EKM läge es allerdings fern, idea und Pfarrer Matthies mit Rechtsextremismus zu identifizieren.

Nach Auffassung Spaemanns hätte Matthies ohnehin nicht unredlich gehandelt, dies würden im Gegenteil die tun, die ihn dessen anklagen, „weil sie dem Prinzip folgen, alles, was rechts ist, in Zusammenhang mit Gewalt und Extremismus zu bringen“. In Wirklichkeit seien sich „die Extremisten links und rechts viel verwandter als die Gemäßigten und die Extremisten auf einer Seite“, behauptet Spaemann. Der Ort, von dem aus man ganz schnell ethisch bei den Nazis lande, sei der Linksextremismus, weil sich die Extreme berühren, so der Philosoph. Zu jeder „freien menschlichen Gesellschaft“ würde eine Linke und eine Rechte gehören, sonst würde es auch keine Mitte geben, so Spaemann.

Robert Spaemann hat Recht: Einen derart großen Unterschied zwischen öffentlicher Meinung und veröffentlichter Meinung gab es unter Adenauer nicht. Wer’s nicht glaubt, der stöbere mal in den Online-Archiven von Zeit und Spiegel. Ohne die Junge Freiheit wäre die bundesdeutsche Presselandschaft heute um einiges ärmer. Das peinliche Gezetere der EKM um die Verleihung des Gerhard-Löwenthal-Preises an Helmut Matthies bestätigt die Verarmung ja geradezu. Wenn jemand mit dem Kurt-Tucholsky-Preis ausgezeichnet wird, ist das ja auch kein Grund zur gesellschaftlichen Ausgrenzung des Preisträgers.

Abgrenzungsdebatten, wie sie heute üblich sind, wären zu Zeiten Adenauers schon deshalb nicht möglich gewesen, weil man sich noch sehr gut an die Praxis der  journalistischen Gleichschaltung unter dem Nationalsozialismus erinnerte:

Neben den Presseanweisungen wurde die inhaltliche Steuerung der Presse auch über die Nachrichtenagenturen betrieben. Die meisten deutschen Zeitungen hatten keine eigenen Korrespondenten in Berlin und waren deshalb auf die Informationen der Agenturen angewiesen. Die beiden Nachrichtenagenturen der Weimarer Republik, das Wolffsche Telegraphenbüro (W.T.B.) und die Telegraphen Union (TU), fusionierten bereits am 1. Januar 1934 zum Deutschen Nachrichtenbüro GmbH (DNB). Sämtliche Anteile des Unternehmens waren im Besitz des Staates, der auf diese Weise für einen Teilbereich der Presse ein Quasi-Nachrichtenmonopol besaß. Neben herkömmlichen Meldungen verbreitete der DNB gelegentlich auch Auflagenmeldungen, welche die Zeitungen zwangsweise abdrucken mussten. Daneben gab es auch vertrauliche Anweisungen, die je nach Stufe der Geheimhaltung auf verschiedenfarbigem Papier an verschiedene Abnehmerkreise übermittelt wurden. Die Abhängigkeit des DNB vom Staat blieb dem Publikum nicht verborgen: Im Volksmund wurde die Abkürzung DNB mit „Darf Nichts Bringen” übersetzt (Frei/Schmitz 1999: 33).

Insgesamt muss konstatiert werden, dass die unzähligen Maßnahmen der inhaltlichen Indoktrination zu einem deutlichen Auflagenschwund bei der Tagespresse führte. Der „materielle Niedergang, verbunden mit einem qualitativen Rückgang, geistiger Uniformität und damit Sterilität von Inhalt und Form” führte zu einem deutlichen Verlust von „Glaubwürdigkeit und Zugkraft” (Abel 1968: 104). [9]

Von einer Abhängigkeit der Medien vom Staat kann heute zwar nur mit Einschränkungen gesprochen werden. Von einer Abhängigkeit vom Tiefen Staat aber eben schon. Daß unsere Medien heute nach dem „Darf nichts Bringen“-Prinzip funktionieren, wird von vielen Bürgern wieder so wahrgenommen. Daher ja auch der Auflagenschwund bei den etablierten Zeitungen, die Zunahme der Abonenten bei der JF und die Flucht ins Internet.

Das historische Vorbild der multikulturalistischen Gleichschaltung

Januar 23, 2010

Viele Islamkritiker nehmen die unsere Medien als gleichgeschaltet wahr.

Um sich zu vergegenwärtigen, was Gleichschaltung bedeutet, ist der Artikel „Wir lügen alle“. Marget Boveris Bericht über das „Berliner Tageblatt“ unter Hitler aus der Zeit vom Dezember 1965 sehr aufschlußreich.

Geschildert wird das Lavieren von Paul Scheffer, der ein Gegner des Nationalsozialsimus war, als Chefredakteurs unter den Bedingungen einer Meinungsdiktatur. Bevor das Berliner Tageblatt 1939 verboten wurde, gab es 1937 eine Pressekonferenz des Propagandaministeriums, in der Scheffer zur Rede gestellt wurde:

Zu dem ersten richtigen großen Krach in der Pressekonferenz des Propagandaministeriums kam es, weil das „Tageblatt“ in einem Leitartikel gesagt hatte, daß die Völker mit intakten Religionsgemeinschaften, wie es sie beispielsweise in Italien und England gebe, den anderen Nationen an seelischer Spannkraft überlegen seien. Deutschland hingegen fehle die reguläre Verbindlichkeit. Ingenieur Berndt, der Sprecher des Propagandaministers, schrie Scheffer an, ob er denn nicht wisse, daß Alfred Rosenberg den „Mythus des 20. Jahrhunderts“ geschrieben habe, dessen erster Band schon erschienen und dessen zweiter im Kommen sei. Zum Schrecken der Konferenzteilnehmer verbat sich Scheffer nicht nur diesen Ton der Belehrung, sondern setzte auch noch mit schneidender Ironie hinzu: „Im übrigen nehme ich zur Kenntnis, daß Deutschland jetzt eine Religion besitzt, von der der erste Band bereits 1937 erschienen. Scheffer mußte gehen. Ein SS-Mann aus dem Scherl-Verlag übernahm die Chefredaktion.

Auch wenn es heute kein Propagandaministerium mehr gibt, das Rosenbergs Mythos des 20. Jahrhunderts als redaktionelle Leitlinie einklagt, so läßt sich die Qunitessenz doch 1:1 ins Heute übertragen. Statt des Nationalsozialismus haben wir eben den von der EU verordneten Multikulturalismus in einem Staat, dessen politische Klasse das christliche Erbe unserer Nation verleugnet.

Zu den Kontinuitätslinien beim Kampf um die Kultur-Kolchose

Januar 22, 2010

Die Aussicht auf den Prozess gegen Geert Wilders hatte in den vergangen Tagen zu einer ganzen Reihe von Feuilleton-Artikeln geführt, in denen heiß um die Stammtischhoheit in den deutschen Tageszeitungen zum Phänomen der Islamkritik gerungen wurde.

Nach Thierry Chervels Beitrag im Perlentaucher scheint sich die Frontline zwischen dem „Fundamentalismus der Aufklärung“ und dem „Rassismus der Antirassisten“ nun doch ein wenig zugunsten der Islamkritik verschoben zu haben. Die Zeit hat Chervel daraufhin nicht nur schwer gescholten, sondern geradezu panisch angegangen. (mehr …)

Minarettverbot: Evangelikale antworten der Arabischen Liga

Januar 15, 2010

Minarettverbot: Evangelikale antworten der Arabischen Liga

Um die Beziehungen zwischen Muslimen und Christen zu verbessern, brauche es konkrete Schritte zur Verbesserung der Menschenrechte und der Religionsfreiheit in vielen muslimischen Staaten. Das gibt die Schweizerische Evangelische Allianz der Arabischen Liga zu bedenken.

Auch wer den Evangelikalen generell ablehnend gegenüber steht, wird zugeben müssen, daß sie da natürlich Recht haben. Daß sich das Problem der fehlenden Glaubensfreiheit in den arabischen Ländern nur auf diese Weise auf die Tagesordnung bringen läßt, hängt vor allem damit zusammen, daß die Einrichtungen der Vereinten Nationen ihrer Verantwortung leider überhaupt nicht gerecht werden. Auch die westlichen Regierungen stecken viel zu sehr in Abhängigkeiten fest, als daß sie noch ein glaubwürdiger Anwalt des Menschenrechtsgedankens sein könnten.

Festmachen läßt sich das bspw. daran, daß die USA Länder wie Saudi-Arabien, Irak und Usbekistan in ihren jährlichen Berichten zur Religionsfreiheit nicht als besonders Besorgnis erregende Länder („Countries of Particular Concern“) führen, weil das ihren geopolitischen Interessen schaden würde. Sich für die Glaubensfreiheit russischer Satanisten einzusetzen ist demgegenüber offenbar im Interesse der USA.

Seraphim Rose: Das orthodoxe Wiedererwachen in Rußland … und der Westen

Januar 9, 2010

Auf vatopaidi.wordpress.com gibt es einen Text von Priestermönch Seraphim Rose zum Thema „Das orthodoxe Wiedererwachen in Rußland“ aus dem Jahre 1980. Auch wenn das schon dreißig Jahre her ist und der Kommunismus (scheinbar) nicht mehr existiert, ist seine Rede immer noch höchst aktuell, weil sich ein Gutteil davon auf „den Westen“ bezieht.