Iran: Warum es den Grünen bei uns die Sprache verschlagen hat

Im Kommentarbereich des Welt-Artikels Das Regime stößt selbst langjährige Anhänger ab finden sich Beiträge wie dieser:

16.06.2009, 23:12 Uhr
sara sagt:
was ist los mit dem westen ? sind alle blind geworden …oder warum machen alle die augen zu ??? sonst sprechen sie von menschenrechte….und jetzt sehen sie nicht dass man in tehran sterben muss weil man gruen traegt ? alle menschen im iran wissen das die wahl manipuliert worden ist….die 63% sind fuer mousavi !!!
85 & Wahlbeteiligung war nur deswegen so hoch…..weil wir ahmadinejad nicht zum presidenten wollten ! der westen muss wissen das wir nur gewaehlt haben um diesen gestoerten diktator los zuwerden !!!

Diese Sara hat noch nicht verstanden, welche Metamorphose die hiesige Gesellschaft in den letzten Jahren durchgemacht hat. An unseren Universitäten sitzen ganze Heerscharen hochbezahlter Leute, die es mittlerweile gewohnt sind, die Menschenrechte dialogisch zu relativieren. Die fürchten jetzt natürlich um ihren Arbeitsplatz. Deshalb wird von dieser Seite und in den Medien auch nur sehr verhaltene Kritik am Vorgehen des iranischen Regimes laut werden. Natürlich ist auch die Politik diesem Trend gefolgt.

Dieser Wandel der letzen Jahre läßt sich belegen.

Hier die Pressemitteilung der Grünen Jugend von heute:

„Solidarität mit den DemokratInnen im Iran!“
16.06.2009: Zu dem Wahlausgang im Iran und den darauf folgenden Unruhen, erklärt der Bundesvorstand der GRÜNEN JUGEND:

„Die iranischen Wahlen am 12. Juni waren eine Farce. Zuvor hatte der undemokratische Wächterrat gerade einmal 4 KandidatInnen aus 500 zu den Wahlen zugelassen und das letztendliche Ergebnis wird von vielen Seiten in Frage gestellt. Im Nachgang der Wahlen kommt es derzeit zu erheblichen Protesten im Iran gegen das Regime von Ahmadineschad. Die Reaktion der Regierung setzt auf Gewalt: Demonstrationen werden gewaltsam auseinander getrieben und Sicherheitskräfte benutzen Feuerwaffen.

Wir solidarisieren uns mit den Menschen im Iran, die gegen die Repression der Regierung demonstrieren und für eine freiheitliche Demokratie kämpfen.

Wir fordern daher:- eine kritische und unabhängige Prüfung der Wahlen – den Verzicht auf Gewalt seitens der iranischen Regierung – die Informationssperre aufheben“

Statt sich den Forderungen der Opposition anzuschließen, redet man einfach nur von „solidarisieren mit dem Menschen im Iran“. Das ist zwar gut, aber eben nicht mehr, als eine laue Standardfloskel.

Vor vier Jahren sah man bei der Grünen Jugend das Regime im Iran noch weitaus kritischer:

Freilassung aller politischer Gefangenen im Iran
13.11.2005: Beschlossen auf dem Bundeskongress vom 11. bis 13. November in Koblenz.

Im Iran stehen Menschenrechtsverletzungen ununterbrochen auf der politischen Tagesordnung. Zur Zeit befinden sich tausende Andersdenkende als politische Gefangene, die keinerlei Rechte haben, in Haft.

Es handelt sich um Personen wie Jugendliche, SchülerInnen und Studierende, die sich für die Demokratie, Menschenrechte und Freiheit eingesetzt haben. Momentan wird jeder Schrei nach Demokratie im Keim erstickt. Die Folgen davon sind politische Verfolgung, Folterung und Haft. Deshalb fordert die GRÜNE JUGEND die sofortige Freilassung aller politischer Gefangenen im Iran.

Nicht nur die politischen Gefangenen waren da noch Thema, sondern auch die Menschenrechte im Iran und  sogar von Folter war damals die Rede! Um die Menschenrechte kümmert man sich bei der Grünen Jugend heute nicht mehr. Mit ein Grund dafür dürfte sein, daß es mittlerweile einen Arbeitskreis Grüne MuslimInnen gibt, deren Sprecherin Hasret Karacuban in der Islamischen Zeitung stolz verkündet, daß sie bei der Grünen Jugend „durchweg positives Feedback“ bekomme.

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10 Kommentare - “Iran: Warum es den Grünen bei uns die Sprache verschlagen hat”

  1. antifo Says:

    Bei den Grünen herrscht immer noch der Glaube vor, daß es schwere Menschenrechtsverletzungen wie
    Folter nur in den USA gäbe. Dabei ist Diskriminierung religiöser Minderheiten im Iran Alltag:

    http://www.state.gov/g/drl/rls/irf/2008/108482.htm

    Wichtig ist auch, wie es mit dem vom dortigen Parlament schon beschlossenen Apostasie-Gesetz weiter geht

    http://www.opendoors-de.org/index.php?supp_page=20090605_Hilfe%20f%FCr%20Iran&supp_lang=de

    wenn der Wächterrat es bestätigt, wird es legal sein, zum Christentum konvertierte Muslime zu ermorden.

  2. antifo Says:

    Daß hinsichtlich der Folter im Iran kein Kritik mehr geäußert wird, ist umso unverständlicher, als die von der Arabischen Liga getragene Arabische Charta der Menschenrechte sich sehr klar gegen Folter ausspricht. In Artikel 4 Absatz c heißt es dort:

    Unter keinen Umständen dürfen jedoch die Rechte und besonderen Garantien betreffend das Verbot der Folter und der erniedrigenden Behandlung, das Recht auf Rückkehr in das eigene Land, das politische Asyl, das gerichtliche Verfahren, das Verbot der mehrfachen Strafverfolgung wegen derselben Tat oder die gesetzliche Festlegung von Straftaten und Strafmaß Beschränkungen unterworfen oder außer Kraft gesetzt werden.

    Das läßt im Grunde keinen Interpretationsspielraum.

    Und selbst in der von den OIC-Staaten getragenen Kairoer Erklärung spricht man sich eindeutig gegen Folter aus:

    Es ist verboten, jemanden ohne legitimen Grund zu verhaften, seine Freiheit einzuschränken, ihn zu verbannen oder zu bestrafen. Es ist verboten, jemanden körperlich oder seelisch zu foltern, ihn zu demütigen oder grausam oder entwürdigend zu behandeln. Ebenso ist es verboten, an einem Menschen ohne dessen Einwilligung oder ohne akute Gefahr für seine Gesundheit oder sein Leben medizinische oder wissenschaftliche Versuche zu unternehmen. Desgleichen ist es verboten, Notstandsgesetze zu verabschieden, durch die ein solches Vorgehen gerechtfertigt würde.

    Es gibt zwar den Vorbehalt eines „legitimen Grundes“, aber das bezieht sich nicht auf Folter.

  3. jawaneh Says:

    Naja, das Problem ist auch, so banal es sich anhört, dass es um Politik geht. Die Politik kann sich nicht der iranischen Opposition anschließen, da sie vielleicht in Zukunft noch mit Ahmadinejad zu tun haben wird. Es würde die Verhandlungsbasis und ohnehin schwierigen Beziehungen also verschlechtern. Sie sind also fast gezwungen solche \“einfachen\“ Aussagen zu treffen, wobei ich sagen muss, dass ich von den Grünen auch mehr erwartet hätte, aber wir wissen ja alle, dass sie nicht mehr dass sind….

    • antifo Says:

      Stimmt vom Grundsatz her freilich. Allerdings fordert die Grüne Jugend sonst halt auch das Blaue vom Himmel herab und ist mir ihrem Tonfall alles andere als zurückhaltend:

      https://antifo.wordpress.com/2009/03/20/durban-ii-was-will-eigentlich-der-vatikan-dort/

      Es wäre ein Leichtes gewesen konkretere Forderung in die PM zu schreiben, zumal sie ja nur ihre eigenen Forderungen von 2005 hätten abschreiben müssen. Daß sie das nicht machen, deute ich so, daß die Grünen was Menschenrechte betrifft mittlerwiele doch ziemlich verunsichert und/oder desinteressiert sind.

  4. Lutz Huth Says:

    DIE LÜGEN GEGEN DEN IRAN
    Der Sieg war ein Fanal. Ein Fanal für den gesamten Nahen Osten. Das iranische Volk steht mehrheitlich hinter seiner politischen Führung. 62-63 Prozent der iranischen Wähler votierten am 12. Juni laut offiziellem Wahlergebnis für Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad. Seit das Ergebnis feststeht, läuft die Hetzmaschinerie der internationalen Presse auf vollen Touren. Das Gezeter ist groß, vor allem bei Repräsentanten des „westlichen Weges“. Man kann davon ausgehen, daß, so wie schon in der Ukraine und in Georgien, wieder einmal die CIA hinter den Unruhen steckt.

    • antifo Says:

      Wie man von einem „westlichen Weg“ sprechen kann, wenn Mussawi an sich ja zurück zu den Wurzeln der Revolution von 1979 will, ist mir ein Rätsel.

  5. Armin Says:

    Tolle Logik! Da wird hier die Übernehme der Forderungen der Opposition im Iran gefordert und die PM der Grünen Jugend als zu lau gebrandmarkt, nur was bedeutet denn die Aussage:

    „Wir solidarisieren uns mit den Menschen im Iran, die gegen die Repression der Regierung demonstrieren und für eine freiheitliche Demokratie kämpfen.“

    anderes als die Zueigenmachung der Forderung der Opposition? Man muss schon sehr haarspalterisch drauf sein, bzw. sein eigenens Feindbild unter allen Umständen aufrecht halten wollen, dass man eine solche Formulierung, wie die der Grünen Jugend als Rückfall der Ansprüche ansieht.

    Wenn eine Partei, bzw. eine politische Jugendorganisation für die Einhaltung der Menschenrechte eintritt, dann sind dies nach wie vor die Grünen, dazu gehört aber eben auch, dass man mit Immigranten, auch muslimischen Immigranten hier in Deutschland auch Kommuniziert, bzw. diese einlädt und mitmachen läßt. Man muss schon sehr einseitig denken, wenn die Tatsache, dass es eine muslimische Gruppe bei den Grünen gibt, die Vermutung hervorruft, die Grünen könnten nun weniger kritisch in Menschenrechtsfragen gegenüber islamischen Staaten sein.

    Tja man kann sich seine Sicht der Welt auch schön zurecht basteln und die Realität schön aussparen, dann hat man auch immer Recht.

    • antifo Says:

      Was dem einen eine Haarspalterei ist, ist dem anderen eine präzise politische Positionierung. Wenn die Grünen letzteres heute weniger wertschätzen als 2005, dann bedeutet das doch etwas.

      Man muss schon sehr einseitig denken, wenn die Tatsache, dass es eine muslimische Gruppe bei den Grünen gibt, die Vermutung hervorruft, die Grünen könnten nun weniger kritisch in Menschenrechtsfragen gegenüber islamischen Staaten sein.

      Wenn die diesbezüglichen Konfliktfragen nicht zuende diskutiert werden, dann folgt daraus aber doch automatisch eine unscharfe Positionierung. Worauf sonst sollte man den Wandel bei den Grünen denn zurückführen?

  6. Armin Says:

    Muss man bestimmte Dinge alle halbe Jahre wiederholen. Wo steht, dass die alte Verlautbarung in irgendeiner weise relativiert würde.

    Wenn man etwas sehen will, dann kann man immer etwas finden, so präzise kann man sich gar nicht ausdrücken, dass ein böswilliger nicht ein Hahr spalten könnte

    • antifo Says:

      Fest steht, daß die Stimme der Grünen von heute hierzu leiser ist, als die von vor vier Jahren. Und das bisschen was zu Menschenrechten kommt, geht im allgemeinen Rauschen unter. Grund ist die mangelnde Auseinandersetzung mit dem Thema. Eigene Expertise gibt es praktisch gar nicht mehr. Stattdessen orientiert man sich an der Generallinie von attac, kümmert sich um seine Karriere und meint dabei hip und trendy zu sein 😉


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