Stellungnahme der GEKE zur Lehre der ROK zu den Menschenrechten

Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) hat heute der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK) in einer Stellungnahme zu ihrer Lehre zu Würde, Freiheit und Rechten des Menschen geantwortet. Der Text dieser Stellungnahme kann unter Die Menschenwürde ist unantastbar, unveräusserlich und unteilbar nachgelesen werden.

Ein Ausschnitt aus dieser Stellungnahme:

Für die russisch-orthodoxe Kirche kann die menschliche „Sündhaftigkeit“ die Würde des Menschen in Frage stellen. Ihre Menschenrechtslehre entwickelt ein Konfrontationsverhältnis zwischen Menschenrechten und christlicher Moral, das in der These gipfelt, die Einhaltung der Menschenrechte würde Christen dazu zwingen, entgegen der göttlichen Gebote zu denken und zu handeln.

Wieso wird das Wort Sündhaftigkeit hier in Anführungszeichen gesetzt? Die Gefallenheit des Menschen durch die Ursünde ist eine Tatsache. Das Spannungsverhältnis zwischen Menschenrechten und christlicher Moral ist daher offensichtlich und besteht so lange, wie die in der Erklärung der allgemeinen Menschenrechten aufgeführten Schlüsselbegriffe der „Würde“ (Art. 1) und der „gerechten Moral“ (Art. 29 Abs. 2) nicht in Beziehung zueinander gebracht werden. Die Lehre der ROK zu Würde, Freiheit und Rechten des Menschen behebt diesen Mißstand, indem sie diese Begriffe auf Basis des Evangeliums Jesu Christi und der Schriften der Kirchenväter mit Leben füllt. Hierzu die Kurzzusammenfassung als Übersetzung aus dem englischen Text von den Seiten des Moskauer Patriarchats:

Gemäß orthodoxer Tradition kann der Mensch die von Gott gegebene Würde nur dann bewahren und in ihr wachsen, wenn er in Übereinstimmung mit moralischen Normen lebt, weil diese Normen die ursprüngliche und daher authentische nicht von Sünde überschattete menschliche Natur ausdrücken. Deswegen gibt es eine direkte Verbindung zwischen der Würde des Menschen und der Moral. Weiterhin impliziert die Anerkennung der persönlichen Würde auch die Annahme persönlicher Verantwortung

Ein weiterer Ausschnitt aus der Stellungnahme der GEKE:

Die Antwort der GEKE sieht hierin ein Missverständnis der Menschenrechte. Die Menschenrechte sind Schutz- und Partizipationsrechte, die den Handlungs- und Lebensraum der Menschen unter das Recht stellen und Rahmenbedingungen für das Zusammenleben der Menschen gewährleisten. In diesem Sinne würdigen die evangelischen Kirchen den positiven Beitrag der Menschenrechte.

Hier bleibt leider unklar, worauf sich die GEKE bezieht, wenn sie von „den Menschenrechten“ redet. Meint sie die allgemeine Erklärung der Menschenrechte oder die daraus abgeleiteten Menschenrechtsabkommen? Wäre letzteres gemeint, müßte man widersprechen, weil etwa der 1966 von den Vereinten Nationen verabschiedete UN Zivilpakt nicht mal das Recht auf Glaubenswechsel bestätigt. Das hat zur Folge, daß Muslimen in islamischen Ländern, die den Weg zu Christus gefunden haben, die staatliche Anerkennung ihres neuen Bekenntnisses verweigert wird, ohne daß sich das entsprechende Land dafür bei den Universal Periodic Reviews auf Ebene des UN Menschenrechtsrates auch nur rechtfertigen müßte! Wenn das keine Schwäche der Menschenrechtsinstitution ist, was ist das dann?

Hierzu wiederum die Kurzzusammenfassung als Übersetzung aus dem englischen Text der Grundlagenlehre der ROK:

Die Schwäche der Einrichtung der Menschenrechte liegt in der Tatsache, daß sie die Entscheidungsfreiheit zwar verteidigt, aber die Tendenz hat, die moralische Dimension des Lebens und die Freiheit von der Sünde mehr und mehr zu ignorieren. Das Gesellschaftssystem sollte von beiden Freiheiten geleitet sein und deren Ausübung in der Öffentlichkeit harmonisieren. Es kann nicht die eine Freiheit verteidigt werden, während die andere mißachtet wird. Freies Einhalten des Guten und Folgen der Wahrheit ist ohne Entscheidungsfreiheit nicht möglich, ebenso verliert die Entscheidungsfreiheit ihren Wert und ihre Bedeutung, wenn sie zu gunsten des Bösen gebraucht wird.

Ein weiterer Abschnitt aus der Stellungnahme der GEKE:

Die russisch-orthodoxe Kirche ordnet die Menschenrechte den Werten und Interessen des Heimatlandes, der Gemeinschaft und der Familie unter. Dies führt in den evangelischen Kirchen zu der Frage nach einer kritischen Gegenüberstellung der Kirche zur staatlichen Ordnung. Angesichts der Einschränkung der zivilen und politischen Rechte in Russland, aber auch in vielen anderen Staaten, vermisst die GEKE in der Stellungnahme der russisch-orthodoxen Kirche Aussagen zum Schutz des Einzelnen vor staatlichen Übergriffen wie politische Verfolgung, politische Morde, Diskriminierung von Minderheiten oder der Aushöhlung demokratischer Verfahren und Strukturen. Aus evangelischer Sicht haben die Kirchen gerade in diesen Fragen eine wichtige Aufgabe, gegen den Missbrauch staatlicher Macht einzutreten.

Hier muß man wissen, daß die ROK die im Jahre 2006 vom Weltkonzil des Russischen Volkes verabschiedete Russische Erklärung der Menschenrechte maßgeblich mit vorangetrieben hat, in der das Einstehen gegen staatliche Willkür u.a. betont wird. Richtig finde ich auch, daß die ROK „die Menschenrechte den Werten und Interessen des Heimatlandes“ unterordnet, weil die Menschenrechte in ihrer Gesamtheit ja nur geschützt werden können, wenn es eine staatliche Ordnung gibt. Daß die GEKE ausgerechnet auf Russland mit dem Finger zeigt, während sie die wirklich Besorgnis erregende Situation in Failedstates wie Somalia oder Afghanistan ausblendet, ist nicht zu verstehen. Für mich ist das der klassische Fall augenscheinlich geopolitisch motivierter Doppelstandards im Bereich der Menschenrechte.

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