Auch Herbert Marcuse hatte geheimdienstlichen Hintergrund
In der Debatte um die Enthüllungen zu Karl-Heinz Kurras wird immer wieder bezweifelt, daß daß damals jemand die Bundesrepublik ausschließlich oder ausschlaggebend für ein faschistisches System gehalten hat, weil Benno Ohnesorg am 2. Juni ’67 erschossen wurde.
Diese Zweifel sind insofern richtig, weil es ja eine ganze Reihe von Personen gab, die die Gesamtpolitik der damaligen Zeit so interpretierten. Nur hatte die Stasi ja nicht nur Kurras in Lohn und Brot und die Betrachtung der frühen Bundesrepublik als „faschistisches System“ war ja Teil der Staatsräson der DDR. Es war also im Interesse der DDR-Führung, dieses falsche Bild zu zeichnen. Es ist daher nicht abwegig auch bei den Vordenkern der 68er U-Boote zu vermuten.
Auch Herbert Marcuse hatte einen geheimdienstlichen Hintergrund:
Herbert Marcuse, zu dem Zeitpunkt für den US-Geheimdienst OSS (Office für Strategic Servi-ces) tätig, versuchte Anfang der vierziger Jahre aufzuzeigen, dass die Effektivität der NS-Kultur nicht zuletzt auf der „Abschaffung“ von sexuellen Tabus und der „Emanzipation des Sexuallebens“ beruhte. (…) Er konnte feststellen, dass der „Ansporn“ zur sexuellen Lustbefriedigung weit verbreitet war. Marcuse schrieb: „Die Zerstörung der Familie, der Angriff auf patriarchalische und monogame Maßstäbe und alle vergleichbaren, allenthalben verkündeten Unterfangen spielen mit der latenten ‘Unzufriedenheit’ mit der Zivilisation, mit dem Protest gegen ihre Beschränkung und Frustration. Sie (die Nationalsozialisten) verweisen auf das Recht der ‘Natur’, die gesunden und diffamierten Triebe des Menschen. Sie nehmen für sich in Anspruch, dem ‘Natürlichen’ wieder zu seinen Recht zu verhelfen.“ Gleichzeitig jedoch seien „die neuen individuel-len Freiheiten von ihrem Wesen her exklusive Freiheiten, Privilegien der Gesunden und für gut Befundenen“. Die Ermutigung vor allem zu „außerehelichen Beziehungen zwischen den Geschlechtern“ – beispielsweise durch gezielte Unterbringung von Mädchen und Jungen in gemein-samen Schulungslagern –, die „Freizügigkeit, die der Rasseelite zugestanden wird, die Erleichterung von Eheschließung und Scheidung und die Sanktionierung unehelicher Kinder“ stünden, so Marcuse, „natürlich in Einklang mit der Bevölkerungspolitik des Reiches. Es gebe jedoch einen weiteren, weit weniger offensichtlichen Aspekt, der „an die Wurzeln der nationalsozialistischen Gesellschaft“ rühre: die Bindung des Einzelnen an die NSDAP. „Die Abschaffung der sexuellen Tabus macht dieses Reich der Befriedigung zur offiziell politischen Domäne. Der Einzelne betrachtet seine private Befriedigung als patriotischen Dienst am Regime und erhält dafür seine Belohnung.“
Es ist zwar irgendwo seltsam, daß Marcuse ausgerechnet das, was er im NS-Staat als Wesensmerkmal des Faschismus erkannt hatte, später im Rahmen seiner wissenschaftlichen Tätigkeit propagieren würde, aber Lebensläufe sind eben nicht immer geradlinig. Daß seine Arbeit Jahre später zur Keimzelle eines neuen und diesmal echten Faschismus (von links) werden würde, konnte er kaum ahnen.

Herbert Marcuse
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