Promiskuität als Ideologie bei BDM und Komsomolzen

Unter Politisierung der Lust im Nationalsexualismus findet sich bei kreuz.net ein äußerst lesenserter Bericht.

Hier ein kurzer Auszug:

Bereits Mitte der dreißiger Jahre wurde den Nationalsozialisten klar, dass sie sich den Ruf ein-handelten, Teenager zum vorehelichen Geschlechtsverkehr zu drängen.

Der – national wie inter-national – wachsenden Kontroverse begegneten sie mit einer Doppelstrategie: Einerseits leugneten sie ihr Tun, andererseits verteidigten sie ihre Strategie und Praxis energisch. 1934 hat-ten die Führerinnen im Bund Deutscher Mädel (BDM) die Anweisung, die ihnen anempfohlenen jungen Mädchen zum vorehelichen Geschlechtsverkehr zu ermutigen, noch mit dem Vermerk „streng geheim“ erhalten. Bereits 1935 war es ein offenes Geheimnis, was in einigen BDM-Gruppen ablief. In Dresden vermerkte beispielsweise Victor Klemperer 1935 in seinem Tagebuch: „Annemarie Köhler erzählt verzweifelt, die Krankenhäuser seien übervoll, nicht nur von schwangeren, sondern auch von tripperkranken fünfzehnjährigen Mädchen aus dem BDM. Ihr Bruder habe sich aufs äußerste gewehrt, seine Tochter eintreten zu lassen.“ 1937 heißt es in den Deutschlandberichten der Exil-SPD über die Hitlerjugend: „Promiskuität ist der tatsächlich ak-zeptierte Zustand“. Und 1938 hatte der amerikanische Soziologe Clifford Kirkpatrick größte Mühe, in seinem umfangreichen Werk „Nazi Germany. Its Women und Family Life“ ein komp-lexeres und schlüssigeres Bild zu zeichnen als das damals bereits zum Klischee gewordene, dem zufolge das Regime „die Empfängnis unehelicher Kinder“ und „Polygamie“ fördere.

Herbert Marcuse, zu dem Zeitpunkt für den US-Geheimdienst OSS (Office für Strategic Servi-ces) tätig, versuchte Anfang der vierziger Jahre aufzuzeigen, dass die Effektivität der NS-Kultur nicht zuletzt auf der „Abschaffung“ von sexuellen Tabus und der „Emanzipation des Sexualle-bens“ beruhte. (…) Er konnte feststellen, dass der „Ansporn“ zur sexuellen Lustbefriedigung weit verbreitet war. Marcuse schrieb: „Die Zerstörung der Familie, der Angriff auf patriarchali-sche und monogame Maßstäbe und alle vergleichbaren, allenthalben verkündeten Unterfangen spielen mit der latenten ‘Unzufriedenheit’ mit der Zivilisation, mit dem Protest gegen ihre Be-schränkung und Frustration. Sie (die Nationalsozialisten) verweisen auf das Recht der ‘Natur’, die gesunden und diffamierten Triebe des Menschen. Sie nehmen für sich in Anspruch, dem ‘Na-türlichen’ wieder zu seinen Recht zu verhelfen.“ Gleichzeitig jedoch seien „die neuen individuel-len Freiheiten von ihrem Wesen her exklusive Freiheiten, Privilegien der Gesunden und für gut Befundenen“. Die Ermutigung vor allem zu „außerehelichen Beziehungen zwischen den Ge-schlechtern“ – beispielsweise durch gezielte Unterbringung von Mädchen und Jungen in gemein-samen Schulungslagern –, die „Freizügigkeit, die der Rasseelite zugestanden wird, die Erleichte-rung von Eheschließung und Scheidung und die Sanktionierung unehelicher Kinder“ stünden, so Marcuse, „natürlich in Einklang mit der Bevölkerungspolitik des Reiches. Es gebe jedoch einen weiteren, weit weniger offensichtlichen Aspekt, der „an die Wurzeln der nationalsozialistischen Gesellschaft“ rühre: die Bindung des Einzelnen an die NSDAP. „Die Abschaffung der sexuellen Tabus macht dieses Reich der Befriedigung zur offiziell politischen Domäne. Der Einzelne be-trachtet seine private Befriedigung als patriotischen Dienst am Regime und erhält dafür seine Belohnung.“

Nicht viel anders war bei den Komsomolzen unter der Herrschaft des Sowjet-Bolschewismus. Wiederum nur ein kurzer Ausschnitt:

Das Ehe- und Familienleben wird auch durch die Verkündigung der vollen Freiheit des geschlechtlichen Verkehrs angegriffen. Diese Freiheit wurde als Protest gegen die Tyrannei der alten, gesetzlichen Ehe verkündigt. Es wurde die famose These geschaffen, daß die Befriedigung des sexuellen Triebes in einer kommunistischen Gesellschaft ebenso einfach und belanglos sei, wie das Herunterschlucken eines Glases Wasser. „Diese ,Glas-Wasser-Theorie’ hat die kommunistische Jugend ganz toll gemacht. Sie ist vielen jungen Burschen und Mädchen zum Verhängnis geworden“, schrieb später Lenin selbst an Klara Zetkin.

Die bekannte Kommunistin Smidowitsch stellte15) folgendes kurzes Schema der sexuellen Moral auf, die zu jener Zeit unter der kommunistischen Jugend herrschte: „Unsere Jugend scheint davon überzeugt zu sein, daß sie alle Fragen, die mit Liebe verbunden sind, auf die allerroheste und schmutzigste Weise zu lösen berufen ist; sonst würde sie ihrer kommunistischen Würde Abbruch tun. Die Moral unserer Jugend besteht z.Z. kurz gefaßt in Folgendem: 1. Jeder Komsomolez, jeder Student des „Rabfak“ (Arbeiterfakultät), wenn auch minderjährig, ist berechtigt und verpflichtet, seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Dieser Begriff ist zum Axiom geworden, und die Enthaltsamkeit wird als eine für das bürgerliche Denken charakteristische Borniertheit angesehen. 2. Wenn ein Mann ein junges Mädchen begehrt, sei es eine Studentin, eine Arbeiterin oder sogar ein Mädchen im schulpflichtigen Alter, so ist dieses Mädchen verpflichtet, sich dieser Begierde zu fügen, da sie sonst als Bürgerstochter angesehen wird, die des Namens einer echten Kommunistin unwürdig wird“……

Die Richtigkeit dieser Formeln wurde bestätigt durch eine ganze Reihe von Briefen, die als Antwort auf ihren Aufsatz eingesandt wurden. So schreibt z.B. eine Studentin S. Z. M. A.: „Die Studenten sehen sehr schief diejenigen Komsomol-Mädchen an, die sich weigern, mit ihnen in Geschlechtsverkehr zu treten. Sie betrachten sie als rückständige Kleinbürgerinnen, als solche, die sich von veralteten Vorurteilen nicht frei machen können. Bei den Studenten herrscht die Ansicht, daß nicht nur die Enthaltsamkeit, sondern auch die Mutterschaft als Ausdruck der bürgerlichen Igeologie zu behandeln ist.“

Eine andere Studentin, Namens Rubzowa, berichtet, daß die Kommunisten die Liebe als etwas sehr rasch Vergehendes betrachten; sie halten eine dauernde Liebe für langweilig; der Begriff Ehefrau wäre ein bürgerliches Vorurteil. Auf die Frage: „Wo ist ihre Frau tätig?“, lachen sie und fragen: „Welche?“ „Ein prominenter Kommunist sagte mir: „In allen Städten, in denen ich dienstlich zu tun habe, habe ich auch eine provisorische Frau.“ „Der Mann meiner Freundin“, fährt die Rubzowa fort, — „schlug mir vor, eine Nacht bei ihm zu schlafen, da seine Frau krank wäre und ihn in dieser Nacht nicht befriedigen könne. Als ich mich weigerte, nannte er mich eine dumme Bürgerin, die nicht fähig sei, die Höhe der kommunistischen Lehre zu begreifen.“17) ‚

Es muß bemerkt werden, daß alle diese Frauen echte Kommunistinnen sind, die die Richtigkeit der kommunistischen Einstellung in keiner Weise anzweifeln, sondern nur über den gräßlichen Zynismus und die Verletzung der Frauenwürde durch das Benehmen der Kommunisten klagen.18) Für die entsprechenden Ansichten der kommunistischen Jugend sind die Resultate einer Rundfrage, welche in Petersburg im Jahre 1927 an den technischen Hochschulen vorgenommen wurde, bezeichnend. In dieser Rundfrage wurde unter anderem auch die Frage gestellt, ob eine ideelle Gemeinschaft bei sexueller Gemeinschaft notwendig sei. 36 Prozent der Studenten beantworteten diese Frage mit einer Gegenfrage: — „Was hat das mit der Ideologie zu tun?“ —, und 20 Prozent antworteten: „Mit Ideologie ist’s gut, es geht aber auch ohne.“ Einer der Studenten schrieb: „Ich kümmere mich wenig um die Ideologie; ich möchte, daß die Frau gesund und bereit ist, mich zu befriedigen. Ich fordere von ihr nur eine Sache, die mit Ideologie nichts zu tun hat.“19)

15) Prawda, 21. März 1925.
16) Prawda, 7. Mai 1925.
17) Prawda, 7. Mai 1925.
18) Siehe auch im obenerwähnten Stenogr. Protokoll, S. 155, 169.
19) Smena, Leningrad, S. 73.

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6 Kommentare - “Promiskuität als Ideologie bei BDM und Komsomolzen”

  1. pippin Says:

    Interessant. Die Abkürzung BDM wurde spöttisch mit „Bald Deutsche Mutter“ übersetzt.

  2. antifo Says:

    Es bestätigt auch, was ich hier

    https://antifo.wordpress.com/2009/03/19/100-jahre-futurismus/

    geschrieben hatte:

    Während der Sozialist die bürgerliche Gesellschaft von außen zu zerstören sucht, trachtet der Faschist danach dies von innen zu erreichen. Um nicht erkannt zu werden, muß sich der Faschist eine bürgerliche Maske zulegen, wohingegen der Sozialist lauthals offen und ungeniert vorgeht.

    im Bolschewismus wurde die Promiskuität offen ideologisch vertreten, während sie sich im Nationalsozialismus hinter einer Ideologie verbarg.

  3. ballmann Says:

    Was schließen Sie aus den Parallelen ?

  4. antifo Says:

    Daß beide die gleichen Wurzeln haben. Diese Wurzeln adäquat zu beschrieben ist allerdings nicht ganz einfach. In dem Artikel zu 100 Jahre Futurismus hatte ich die zerstörende Energie beider Ideologien als Stimmungsbilder dargestellt, die sicher nicht falsch sind.

    Kunstströmungen und -epochen waren immer auch ein Spiegel der Geistesgeschichte der jeweiligen Zeit, die wiederum ein Spiegel der Kirchengeschichte sind:

    Den (west-)europäischen Individualismus gab es seit Papst Gregor VII (1073-1085) in drei verschiedenen Ausprägungen:

    * der päpstliche Individualismus, der maximale Rechte – und Wissen – für eine Person verkündete: den Papst
    * den liberalen Individualismus, der maximale Rechte für jede Person predigte
    * den nationalistischen Individualismus, der maximale Rechte für eine Nation behauptete

    Der päpstliche Individualismus war tendentiell in den Hintergrund getreten, seit zunächst der liberale Individualismus und dann der nationalistische Individualismus die Europäer und Amerikaner in ihren Bann zogen. Doch nun, nachdem er [ Papst Pius IX. ] schon die Hauptpfeiler des Liberalismus in seinem Syllabus Errorum 1864 mit Kirchenbann belegt hatte und hartnäckigen Widerstand gegen den Sieg des Nationalismus im heimatlichen Italien geleistet hatte, wiederholte das Papsttum mit neuer Kraft und Fanatismus seine eigene Variante der wesentlichen Häresie Europas – die ursprünglichste und die dümmste von allen. Oder ist es etwa nicht Dummheit, wenn sich einer, ein Sterblicher und ein Sünder, der ebenso der Erlösung bedarf, wie jeder andere Mensch, als Hüter und Gebieter der absoluten Wahrheit begreift?!

    Das ist die Zusammenfassung über die Probleme, die das „Petrusamt“ im Verlauf der Geschichte mit sich gebracht hat. In den vorangegangen Kapiteln weist der Autor nach, daß der Liberalismus seinen Ursprung in Grundannahmen des Protestantismus hat, der nur als Gegenbewegung zum Papsttum verstanden werden kann. In ähnlicher Weise beschreibt er den Nationalismus als Gegenbewegung zu modernem Liberalismus und Papsttum. Aus der Dreieinigkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist hat sich vermittels des „Petrusamtes“ also (im Verlauf mehrerer Jahrhunderte) eine „Dreieinigkeit“ von Papsttum, Individuum und Nation entwickelt.

    Nachdem der Kommunismus antiklerikal ist, das Individuum geringschätzt und die Nation überwinden will, könnte man ihn wiederum als Gegenbewegung zu dieser „Dreieinigkeit“ sehen und der Faschismus war dann seinerseits wiederum die Antwort darauf.

    Quelle für den obigen Text ist: http://www.orthodoxchristianbooks.com/books/downloads.php?book_id=97
    (auf Seite 58)


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