Paradiesische Staatsform

Übersetzung aus The Mystery Of Christian Power von Vladimir Moss

Am Anfang der Geschichte der Menschheit, im Paradies, gab es nichts, was man als politisches Leben hätte bezeichnen können und keine Prinzipien hierarchischer Herrschaft außer der von Adam über Eva. Daher schreibt St. Johannes Chrysostomus: „Zu Anfang schuf Er nur eine Hoheitsgewalt, die des Mannes über die Frau. Doch nachdem unsere Spezies sich halsüberkopf in furchtbare Unordnung gestürzt hatte, berief Er auch andere Herrschaften, die der Herren und die der Regierenden, aber auch das um der Liebe willen. Auch Anastasius (Gribanovsky), der Metropolit von New York schreibt: „Politische Macht erschien auf Erden erst nach dem Fall der ersten Menschen. Im Paradies wurde der Ruf des Aufsehers nicht gehört. Der Mensch kann niemals vergessen, daß er einst königlich frei war und daß politische Macht das Bußgeld der Sünde darstellt.“

Der Staat, auf den das Omen Adams und Evas im Paradies seinen Schatten warf, ist im wesentlichen ein Produkt des Falles und wäre nicht notwendig geworden, wenn Adam nicht gesündigt hätte. Er ist notwendig für gefallene, sündige Menschen, denn „der Sünde Sold ist der Tod“ (Römer 6.23) und politische Ordnung kann, wenn auch nicht den Tod im Menschen besiegen – das kann nur der Christus der Kirche – so doch wenigstens dessen Ausbreitung verlangsamen, indem sie dem Menschen das Überleben ermöglicht, als Individuum und als Gattung. Weil um überleben zu können, bedarf er des Zusammenschlusses in Gemeinschaften mit anderen Menschen, beim Gründen von Familien, von Stämmen und schlußendlich auch von Staaten.

Unterstützt wird dieser Prozess freilich durch die Tatsache, daß Menschen von Natur aus sozial sind und schon als Mitglied einer Familie zur Welt kommen. Daher geschieht es, anders als manch nicht-orthodoxe Denker uns glauben machen wollen, eben nicht nur aus Gründen der Angst, daß Menschen sich in großen Gruppen zusammenschließen, sondern aus den natürlichen Banden der Familie heraus. In diesem Sinne ist der Staat schlicht die Familie im Großen.

Und gleich wie die Familie den Vater als Haupt hat, so hat der Staat den König als sein Haupt. Wie Bischof Dionysius schreibt: „Beide, das familiäre und das monarchische System, sind eingesetzt von Gott für den irdischen Bestand des sündigen, gefallenen Menschen. Der erstgeschaffene Mensch, treu in lebender Gemeinschaft mit Gott, war Untertan niemandem außer Gott und er war Herr über die nichtdenkenden Geschöpfe. Doch als der Mensch sündigte und die Göttliche Ordnung durchbrach wurde er – abgefallen von Gott – der Sklave der Sünde und des Teufels und im Ergebnis davon wurde er zum Untertan von Menschen wie er selbst einer war. Der sündige Wille des Menschen verlangt Unterwerfung zur Beschränkung seiner eigenen zerstörerischen Aktivität. Diese Göttliche Einrichtung hat nur das Gute des Menschen im Sinn – die Begrenzung des Ausbreitens der Sünde. Und die Geschichte selbst bestätigt, was immer für Mängel die Monarchie auch haben mag, das ist nichts im Vergleich zum Bösen, das der Menschen mit Revolution und Anarchie über sich brachte.

Einer derjenigen, die dieses Thema am detailiertesten und mit der größten Klarheit darlegten, war der Metropolit Philaret von Moskau. Er betonte das Verwurzeltsein des Staates in der Familie, wobei der Staat seinen wichtigsten Bestandteil und die Struktur von der Familie erbt: „Die Familie ist älter als der Staat. Mann, Ehemann, Frau, Vater, Sohn, Mutter, Tochter und die Verpflichtungen und Vorzüge die aus diesen Namen sprechen, gab es bevor die Familie zur Nation heranwuchs und den Staat bildeten. Das ist der Grund, weshalb das Familienleben im Vergleich zum Staat symbolisch als Wurzel des Baumes gesehen werden kann. Damit das Leben des Staates sich kräftig und einwandfrei entwickeln kann, erblühend durch Erziehung und die Frucht öffentlichen Gedeihens hervorbringend, ist es notwendig, daß das Familienleben stark mit gesegneter Liebe der Ehepartner, der heiligen Autorität der Eltern und der Ehrfucht und dem Gehorsam der Kinder und daß als Konsequenz davon, sollten aus den reinen Elementen der Familie ebenso reine Prinzipien staatlichen Lebens erwachsen, so daß mit einer Verehrung, wie man sie für seinen Vater hat, auch die Verehrung des Zaren geboren wird und wächst, und daß die Liebe der Kinder für ihre Mutter eine Vorbereitung für die Liebe zum Vaterland sein sollte und der einfältige Gehorsam der Untertanen den Weg zu Selbstaufopferung und Selbstvergessen vorbreitet und leitet …“

So gesehen waren Adam und Eva der erste König und die Königin. Denn „zu Anfang“, sagt St. Johannes Chrysostomus, „schuf Er nur eine einzige Herrschaft, indem er den Mann über die Frau setzte. Doch nachdem unsere Spezies halsüberkopf in furchtbare Unordnung gerannt war, ernannte Er auch andere Herrscher …“

S.V. Troitsky schreibt: „Die Heirat ist der Ursprung der Kirche und des Staates. Die Heirat geht allen sozialen und religiösen Organisationen voraus. Sie war eingerichtet schon im Paradies, sie war eingerichtet von Gott Selbst. Gott bringt die Frau zu Adam und Adam selbst ist es, der seine fleischliche Vereiniung als unabhängig von jeder weltlichen Autorität und sogar von elterlicher Autorität erklärt (Genesis 2.24, Matthäus 19.6?). Also war die erste Heirat beschlossen ‚durch die Gnade Gottes‘. Mit der ersten Heirat waren der Man und die Frau Träger höchster Autorität auf Erden, sie waren Herrscher denen der Rest der Welt gehörte (Genesis 1.28). Die Familie ist die erste Form der Kirche, sie ist ‚die kleine Kirche‘, wie Chrysostomus sie nennt und gleichzeitig ist sie der Ursprung des Staates als Organisation der Macht, weil nach der Bibel der Grund einer jeden Macht des Menschen über den Menschen in Gottes Worten über die Macht des Mannes über seine Frau zu finden ist: ‚aber er soll dein Herr sein‘ (Genesis 3.16)“.

Dürfen wir dann überhaupt folgern, daß der Staat im Paradies schon existierte? Idealerweise – ja, insofern das Ideal des Staates das der Familie im großen Maßstab ist, in der der König und die Königin der Vater und die Mutter ihrer Untertanen sind, ein Ideal das im Kosenamen der Russen für ihre Zaren, “batyushka-tsar”, „Väterchen Zar“ zum Ausdruck kommt. Doch das politische Leben, wie wir es kennen, beginnt zweifellos mit dem Sündenfall, mit der Sache der Gesetze gegen Verbrechen und den jeweiligen Strafen für Verbrechen.

In der Tat, ohne Gesetze gegen Verbrechen gibt es keinen Staat, gemäß Metropolit Philaret: „Der Staat ist ein Zusammenschluß freier moralbegabter Wesen, vereint untereinander mit dem Opfer eines Teils ihrer Freiheit für den Bestand und Erhalt durch die gemeinsame Kraft des Gesetzes der Moral, das eine Notwendigkeit ihrer Existenz darstellt. Die bürgerlichen Gesetze sind nichts anderes, als die Interpretation dieses Gesetzes zur Anwendung bei bestimmten Fällen mit der Polizei als Wächter gegen dessen Übertretung. In dem Maß wie diese Gesetze gut sind, das heißt, in Übereinstimmung mit „den Gesetzen der Moral“ und verläßlich und unabhängig angewandt werden, können die Leute in Frieden leben und das Ziel anstreben, für das Gott sie auf die Welt setzte – das Heil ihrer Seelen für die Ewigkeit. In dem Maß wie diese Gesetze schlecht sind und/oder schlecht angewandt werden, wird es nicht nur viel schwieriger für die Menschen, das Hauptziel ihrer Existenz anzustreben: Die schiere Existenz zukünftiger Generationen kommt in Gefahr.

Der Unterschied zwischen Sünde und Verbrechen ist der, daß Sünde eine Übertretung der Gesetze Gottes darstellt, wohingegen ein Verbrechen eine Übertretung ist sowohl der Gesetze Gottes als auch der Gesetze der Menschen wie sie vom Staat definiert sind. Die ursprüngliche Sünde von Adam und Eva wurde mit der Vertreibung aus dem Paradies bestraft, oder aus der Kirche – das ist die Gemeinschaft mit Gott. Die zweite Sünde, die des Mordes an Abel durch seinen Bruder Kain, war, nach jedem Gesetz in jedem zivilisierten Staat, ein Verbrechen und eine Sünde. Doch weil es da immer noch keinen Staat gab, war es Gott Selbst, der die Strafe auferlegte – den Ausschluß aus der menschlichen Gesellschaft („Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden.“ (Genesis 4.2)). Das paradoxe ist, daß Kain der Erbauer des ersten Staates wurde, den die Geschichte erwähnt, einer Stadt, als er vom Angesicht Gottes floh (Genesis 4.16,17) …

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